Geschichten aus dem Universum vom Beginn bis zum Ende seiner Zeit
Hallo alle zusammen, diese Geschichte habe ich mir schon in den 1980er Jahren ausgedacht.
Einige erste Aufzeichnungen dieser Geschichte aus den Jahren 1984 bis 1988 sind in angepasster Form in dem Prolog und in den Kapiteln „Erde“ und „Aufbruch“ wiedergegeben.
Zusätzlich sind die alten Aufzeichnungen in einer anderen, hier nicht vorliegenden Geschichte mit dem Namen „TIME (Die Zeit beginnt und mit ihr die Unendlichkeit der Ewigkeit)“
zusammengefasst.
In den alten Aufzeichnungen sind Namen und Handlungen genannt worden, auf die aber noch nicht genauer eingegangen wurde.
In dieser hier vorliegenden Erzählung „Die Zeit begann und mit ihr die Unendlichkeit der Ewigkeit“ wird die gesamte Chronik erzählt.
Die Texte im Kapitel „Liedertexte aus der Zeitepoche von Joy“ sind ebenfalls in der Zeit Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre entstanden.
Danke an Johanna „Jojo“, dass ich 2017 ermutigt wurde, die Geschichte weiterzuschreiben und nun schließlich zu beenden.
Es war als noch nichts war. Bis auf die Materie, die sich unter großem Druck und großer Dichte im Nichts aufhielt. Als jedoch Druck und Hitze zu groß wurden, zerbarst
die Masse und verteilte sich im entstehenden Universum.
Die Zeit begann und mit ihr die Unendlichkeit der Ewigkeit.
Es bildeten sich Galaxien mit Sonnensystemen, deren Sonnen von Planeten umkreist wurden, die wiederum im Mittelpunkt ihrer Monde standen. Auf einigen Planeten entstanden im Laufe von Millionen Jahren
geringe Vegetationen und Einzeller. Auf anderen eine ausgeprägte Fauna und Flora. Und auf vereinzelten hatte sich eine niedrige oder sogar hohe Intelligenz entwickelt.
Viele Völker lebten auf ihren Planeten und erfuhren nie, wie das Weltall aufgebaut ist. Andere lernten die Raumfahrt kennen, bauten Raumschiffe und expandierten in die Umgebung ihrer
Sonnensysteme.
Die Zeit verging und hinterließ ihre Spuren im Universum.
Finsternis. „… piep, … piep, … piep.“ Dann wieder Stille. Es ist immer noch dunkel. Dann wieder dieses leise Piepen aus der Ferne: „… piep, … piep, … piep.“ Es kommt
näher und wird lauter: „…piep, … piep, … piep.“ Mittlerweile scheint es so nah und laut zu sein, dass Niss wach wird.
Sie öffnet langsam ihre Augen. Die erste Sonne schickt ihre Strahlen durch die Bäume des umgebenden Waldes hindurch zu der getönten Glaskuppel auf dem Hausdach. „So finster ist es gar nicht mehr“,
kommt es flüsternd aus ihrem Mund. Es ist jedoch niemand im Raum, der es hören kann. Diesmal schafft der Wecker nur noch ein einzelnes „… piep“, bis Niss ihn mit einem Fingerschnipp ausschaltet.
„Heller!“, sagt sie und die Glaskuppel verliert einen Teil ihrer Tönung.
Die Einrichtung im Raum wird nun sichtbar. Das kreisrunde Bett, in dem sie liegt, steht inmitten der Kuppel. Am Rande befinden sich einige kleine Kisten, die als Stauraum und Ablage dienen. Gegenüber
dem Fußende ist der Transporter, mit dem sie in die unteren Stockwerke gelangen kann. Wenn man überhaupt an einem kreisrunden Bett eine Stelle als Fußende bezeichnen kann.
Sie springt freudestrahlend aus dem Bett, schnappt sich ein paar Klamotten die verteilt um das Bett herumliegen und zieht sich schnell an. Mit dem Transporter verlässt sie die Glaskuppel, ihr kleines
Reich, welches die Eltern nur mit ihrer Erlaubnis betreten dürfen. So hat sie in zwei Sekunden die untere Etage erreicht.
Das Haus ist nicht groß. Es hat nur zwei Stockwerke und die Glaskuppel obendrauf. Die Außenwände des zylinderförmigen Hauses sind mit großflächigen, abgerundeten Glasfronten versehen, dessen Tönung,
genauso wie bei der Glaskuppel, verändert werden kann.
„Guten Morgen Niss. Du siehst so fröhlich aus. Du scheinst ja gut geschlafen zu haben“, hört sie von ihrer Mutter, die sich immer freut, wenn es der Tochter gut geht. „Ja“, erwidert Niss, „und ich
habe heute frei und werde Raan besuchen. Ich habe ihn schon drei Tage nicht mehr gesehen und auch nicht über Telekom erreichen können. Ich werde gleich nach dem Frühstück losgehen.“ „Sei aber
vorsichtig. Nimm dir einen Körperschutz mit. Du weißt, dass bald die zweite Sonne aufgeht und dass ihre Strahlen mittlerweile tödlich sein können.“ „Ja natürlich“, versucht Niss ihre Mutter zu
beruhigen, „Ich werde hauptsächlich auf der Waldstraße unterwegs sein. Da bin ich schon durch die Bäume vor den meisten Strahlen geschützt.“
Die Waldstraße ist ungefähr zwölf Kilometer lang und verbindet die zwei Städte in denen Raan und Niss leben. Die Städte selbst befinden sich jeweils vollständig unter einer 600 Meter hohen
halbkugelförmigen Glaskuppel. Diese sind aus dem gleichen Material wie die vom Haus, nur wesentlich größer. Sie schützen die Menschen in den Städten vor den aggressiven Sonnenstrahlen, indem sich
ihre Tönung der Intensität der zwei Sonnen anpasst. Zusätzlich sollen die Kuppeln auch die großen Waldvorkommen auf dem Planeten, der sich „Medavena“ nennt, vor der hochtechnisierten Welt der
Bewohner schützen.
In den letzten Jahren wurden die Glaskuppeln während der hellen Tageszeit immer dunkler. Die Strahlungsintensität der zweiten Sonne hat sich mittlerweile merklich verstärkt. Dass sie immer intensiver
wird, kann inzwischen jeder mit seinen bloßen Augen erfassen. Diese Erkenntnis ist den Wissenschaftlern allerdings schon seit mehreren Jahrzehnten bekannt. Einer der fünf Planeten, der zu dieser
Doppelsonne gehört, ist bereits seit neun Jahren unbewohnbar. Das dort lebende Volk ist vollständig auf die in der Nähe schwebenden Großraumschiffe umgesiedelt worden. In absehbarer Zeit werden die
Völker aller noch bewohnten Planeten dorthin umsiedeln müssen.
Aber noch ist es nicht soweit und Niss sitzt zusammen mit ihrer Mutter beim Frühstück. „Wie lange kennt ihr euch denn mittlerweile schon?“, nimmt die Mutter das Gespräch wieder auf. „Wir haben uns
das erste Mal vor sieben Jahren gesehen“, blubbert Niss mit halbvollem Mund, „als er mit seiner Schule eine Exkursion in unsere Stadt machte.“ Jetzt schob sie ihr Frühstück zur Seite und begann mit
strahlenden Augen von ihrer ersten Begegnung mit Raan zu erzählen: „Ich war auf dem Wochenmarkt in der Innenstadt, um Stoffe für mein Kostümprojekt zu kaufen, als ich ihn beim Mittagessen mit seinen
Freunden entdeckt habe. Wobei er immer behauptet, er hätte mich lange Zeit vorher zuerst gesehen.“ Selbstverständlich hat ihre Mutter Nerana diese Geschichte schon mehrere duzend Male gehört, aber
sie sieht die leuchtenden Augen ihrer glücklichen Tochter so gerne. „Und dann stand er auf, kam einfach zu mir rüber und sprach mich an. Er sagte, ich hätte ihn angelächelt und zu mir gewunken. Dabei
habe ich nur aus der Ferne nach ihm geschaut.“
Sie erzählt noch lange von dem ersten Treffen auf dem Marktplatz und den Wochen danach. So lange, dass sie sich später als geplant auf den Weg macht. „Sei bitte vorsichtig“, ruft ihre Mutter
hinterher, als sie das Haus verlässt. „Und pass auf dich auf.“ Doch das hört Niss nicht mehr.
Der Weg vom Haus zum Ausgang am Kuppelrand ist nicht weit. Niss wohnt mit ihren Eltern in einer Siedlung mit vielen kleinen Häusern am östlichen Stadtrand. An einer der Schleusen zur Außenlandschaft
angekommen, lässt sie sich registrieren und begibt sich dann auf den Waldweg zur Kuppelstadt in der ihr Freund Raan lebt. Unterwegs schwirren kleine harmlose Insekten um sie herum und Vögel
zwitschern hoch oben in den Bäumen. Vieles ist nicht anders, als wir es auch von unserer Erde kennen.
Es ist wärmer als in der Stadt unter der schützenden Kuppel, aber noch erträglich. Ein transportabler magnetischer Schirm verhindert, dass Niss den starken Sonnenstrahlen direkt ausgesetzt ist. Dem
Wald und seinen Tieren schein die erhöhte Strahlung nicht zu schaden. Zumindest kann Niss keinen Unterschied zu den letzten Jahren feststellen. Es kann aber auch daran liegen, dass ihre Gedanken im
Moment nur bei Raan sind und sie deshalb die Umgebung nur schemenhaft wahrnimmt.
Auf derselben Waldstraße war vor achtzehn Jahren der kleine Raan mit seinen Eltern in der anderen Richtung unterwegs.
„Wann sind wir denn endlich da?“, quengelt Raan, „Ich muss mal. … Ich habe Hunger. … Meine Füße tun weh.“ „Bald“, antwortet der Vater schon leicht genervt. Vielleicht hätte er den Geschäftstermin in
der zwölf Kilometer entfernten Nachbarstadt doch nicht mit einem Familienausflug verbinden sollen. Er tat es für seine Frau und seinen Sohn. So oft im Leben verlässt keiner die Kuppel der eigenen
Stadt. Er hat sich vorgestellt, dass er seinen Geschäftspartner trifft und während dieser Zeit Raan und seine Mutter auf dem großen über die Stadtgrenze bekannten Marktplatz schlendern können.
Anschließend würden sie zusammen etwas Essen gehen.
Auf dem letzten Kilometer hat Raan nur noch dreimal gequengelt. In der Stadt angekommen, verabschieden seine Mutter und er sich vom Vater und gehen zum großen Marktplatz. Dort angekommen, stürzt sich
Raan sofort auf den ersten Stand mit Süßigkeiten. Nachdem er eine Tüte voll mit Naschereien von seiner Mutter erhält, sieht er wieder zufrieden aus.
Beide schlendern weiter über den Markt. Bleiben hier und da an Ständen mit bunten Halstüchern und langen Kleidern oder auch Spielsachen oder Techniktricksereien stehen. Die zwei Sonnen stehen fast
senkrecht über der Kuppel und werden durch sie soweit gefiltert, dass ein angenehmes Licht ohne gefährliche Strahlung die Stadt erreicht.
Plötzlich bleibt Raan stehen. Seine Mutter merkt es nicht gleich und läuft erst mal ohne ihn weiter. Erst als sie ihn etwas fragt, worauf er nicht antwortet, dreht sie sich um und sieht ihn nicht
mehr. Sie läuft zurück und entdeckt ihn wie angewurzelt inmitten der umherlaufenden Menschen stehen. Er schaut zu einem Obststand, an dem ein kleines Mädchen mit langen ultravioletten Haaren steht
und Früchte in ihren Einkaufskorb legt.
„Schau mal Mama, wie schön dieses Mädchen ist“, sagt er zu seiner Mutter, als diese ganz außer Puste bei ihm ankommt. „Wer, … wo?“, fragt sie. „Da hinten an dem Obststand“, deutet er mit seinem
Finger, „das Mädchen mit dem Korb und den lila Haaren.“ Die Mutter entdeckt sie sofort. „Oh ja“, bemerkt sie, „die ist ja wirklich sehr hübsch. So ein dunkles Violett habe ich bei einem so jungen
Mädchen noch nie gesehen.“ Ganz erstaunt schaut sie ihren kleinen Jungen an. „Aber seit wann interessierst Du dich denn für Mädchen?“ „Ach“, antwortet er verlegen, „ich interessiere mich doch nicht
für Mädchen.“ Er schaut wieder zum Obststand. „Aber dieses Mädchen sieht ganz toll aus.“ „Dann geh doch mal zu ihr rüber“, versucht die Mutter ihn zu beeinflussen, „und sag ihr, wie toll Du sie
findest.“ Raan schaut seine Mutter böse an. „Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.“ Als sein Blick wieder zum Obststand schwenkt, sieht er nur noch, wie sie in seine Richtung lächelt und in der
Menschenmenge verschwindet. „Jetzt ist sie weg“, murmelt er und bleibt danach still.
Beim gemeinsamen Essen mit den Eltern und auf dem Heimweg hören sie keinen Ton von ihrem Sohn. Es dauert auch einige Tage, bis er wieder am alltäglichen Leben teilnimmt. Aber mit den Jahren
verblassen die Erinnerungen an das Mädchen auf dem Markplatz.
Es sind mittlerweile elf Jahre vergangen, seit Raan mit seinen Eltern auf dem Marktplatz war. Dieses Jahr unternimmt seine Schule Ausflüge in alle benachbarten
Kuppelstädte, um so den Schülern eine erweiterte Zukunftsperspektive zu zeigen. Heute sind sie in der Stadt, in der Niss lebt.
Nachdem alle Schüler am Vormittag zusammen einige Veranstaltungen besuchen mussten, verbringen Raan und seine Freunde die Mittagspause auf dem Marktplatz. „Gib mal her.“ „Lass mich mal abbeißen.“
„Schau mal, die da drüben“, bekommen einige Einheimische zu hören, die zu nah an der Gruppe vorbeigehen. Die Gruppe von Jungs fällt nicht gerade durch ihr kultiviertes Benehmen auf. Mit vollem Mund
grölen sie irgendwelchen gutaussehenden Mädchen hinterher und lassen überall Essensreste und Müll fallen.
Raan schaut zu einem Obststand auf der anderen Seite des Hauptplatzes und sieht dort ein großgewachsenes schlankes Mädchen mit dunklen violetten Haaren. „Das Mädchen da drüben erinnert mich an
irgendjemanden“, sagt er zu seinen Kumpels, „ich weiß nur nicht, an wen.“ Niss bemerkt die Gruppe von Jungs, sieht zu ihnen rüber und lächelt. „Sag mal, Raan“, stupst ihn einer seiner Freunde an,
„Die hat dich doch angelächelt.“ „Die hat dich zu sich herüber gewunken“, bemerkt ein anderer. „Die will, dass Du zu ihr gehst.“ „Geh schon“, hört er nun von allen Seiten. Ermuntert von seinen
Freunden, macht er sich auf den Weg und geht zu dem Obststand, an dem Niss steht.
Bei ihr angekommen, bringt er etwas leise ein „Hallo.“ und „Du hast wunderschöne Haare.“ heraus. „Danke“, antwortet sie, „und mehr als mein Haar gefällt dir nicht an mir?“ Raan ist verwirrt. Mit so
einer Antwort hat er nicht gerechnet. „Doch, … doch, Du bist sehr hübsch“, stottert er. „Na komm“, geht sie weiterhin sehr forsch vor, „dann lade mich zu einem Getränk ein, dabei können wir ein wenig
reden und uns kennenlernen.“
Raan hat zu diesem Zeitpunkt schon seine Freunde auf der anderen Seite vergessen. Er nimmt auch den Marktplatz und die umherlaufenden Besucher nicht mehr wahr. Er sieht nur noch Niss mit ihren langen
ultravioletten Haaren.
Sehr lange können sich die zwei nicht unterhalten. Die Mittagspause ist schon zu Ende, als einer seiner Kumpels zu ihm kommt und ihn aus seinem Traum, der in der Wirklichkeit stattfindet,
herausreißt: „Komm Raan, wir müssen weiter. Die anderen warten schon auf uns.“ Niss gibt ihm noch schnell ihre Kommunikationsnummer und ermahnt ihn, sich auf jeden Fall zu melden.
Als er zu seinen Schulfreunden kommt, klopfen ihm erstmal einige auf die Schulter oder klatschen Beifall. Das ist ihm aber nicht wichtig. Durch die Aktion, die wie eine kleine Mutprobe begann, hat er
ein Mädchen kennengelernt, in das er sich anscheinend Hals über Kopf verliebt hat. Er ist sich nicht sicher, was er gerade fühlt. Es scheint aber, dass sich für ihn ab diesem Zeitpunkt alles
verändert hat.
Raan und Niss kommunizieren oft über Telekom und besuchen sich gegenseitig in ihren Heimatstädten, wenn immer sie die Möglichkeit dazu finden. Mittlerweile sind sie schon sieben Jahre ein Paar.
Jeder, der die beiden kennt, weiß, dass keine Macht der Welt sie wieder trennen könnte.
Und nun, sieben Jahre später, ist Niss auf dem Weg zu ihrem Freund Raan.
Sie wird aus ihren Erinnerungen herausgerissen, als sie, gar nicht soweit von ihr entfernt, ein Krachen hört. Sie schaut instinktiv in die Richtung, aus der der Lärm kommt. Eine entstandene Wolke aus
Staub, Dreck und Laub verhindert jedoch ihre Sicht auf die Ursache des Lärms. Im Augenwinkel sieht sie eine Bewegung in der anderen Richtung. Sie dreht sich um und erstarrt bei dem Anblick, der sich
ihr bietet: Einer der größeren Bäume gerät ins Wanken. Seine von ihm aus der Verankerung gerissenen Wurzeln schleudern Erde und Gestrüpp in die Höhe. Der fallende Baum reißt weitere kleinere Bäume
mit sich. Bevor er den Boden berührt und die entstehende Staubwolke die Sicht versperrt, sieht Niss, dass seine Krone in Flammen steht.
Niss benötigt noch Zeit, um zu verstehen, was hier eigentlich passiert. Weitere der alten teilweise mehrere hundert Meter hohen Bäume stürzen brennend in den Wald, der den gesamten Planeten Medavena
umgibt. Das Feuer breitet sich in alle Richtungen aus. Der Boden fängt an zu beben. Neben der noch bewegungslos stehenden Niss entstehen die ersten Risse im Boden. Jetzt versteht sie. Jetzt bewegt
sie sich. Erst geht sie langsam vorwärts, dann fängt sie an zu rennen. Sie rennt immer schneller. So schnell, wie sie noch nie in ihrem Leben gerannt ist. Sie rennt weiter und weiter zu der
Stadt, in der Raan lebt.
Die Feuer breiten sich im Wald aus. Überall stürzen weitere Bäume in sich zusammen. Kleinere Bäume werden von immer größer werdenden Spalten im Boden verschluckt. Und zwischen dem Chaos rennt die
klein wirkende Niss um ihr Leben zu ihrem Freund. Ihre Schreie, „Raan, … Raaan, … Raaaan“, verlieren sich völlig im Tumult der Apokalypse.
Plötzlich bleibt sie stehen. Vor ihr hat sich ein Abgrund aufgetan, den sie nicht überqueren kann. Sie sackt in sich zusammen. Sie hat Raan verloren. Jetzt hat ihr Leben keinen Sinn mehr. Mit Tränen
in den Augen schaut sie nochmal nach oben. In der Ferne erkennt sie Raans Kuppelstadt. Das Glas der Kuppel ist gebrochen. Die hohen Häuser sind eingestürzt. Die Stadt brennt lichterloh.
„Raan“, schluchzt Niss, bevor sie fast ohnmächtig zusammenbricht. Ihr wird immer wärmer. Der transportable magnetische Schirm kann die Hitze nicht mehr vollständig abhalten. Sie hört ein Surren und
nimmt ein ungewöhnliches Vibrieren war. Dann verliert sie sich vollständig im Dunkeln des Nichts.
Finsternis. „… piep … piep … piep … piep …“ und es hört nicht auf zu piepen. „Das ist nicht mein Wecker“, denkt sich Niss und hört dann eine fremde Stimme: „Nerana,
kommen Sie her, ihre Tochter wird wach.“
Niss hat ihre Augen noch nicht ganz geöffnet, als sie von den Armen ihre Mutter umschlungen wird. Sie ist noch zu schwach, um sich dagegen zu wehren. Dann versucht sie zu sprechen: „Wo bin ich? Was
ist passiert? Überall war Feuer und alles ist eingestürzt.“ Ihre Stimme klingt schwach. „Sie sind auf der Krankenstation der Stelavis 23“, antwortet die fremde Stimme, die sie schon gehört
hatte.
Die Person der Stimme kommt in ihr Sichtfeld. „Ich bin der Arzt hier auf der Station“, stellt sich der in Gelb gekleidete Mann vor. „Wir konnten sie in letzter Minute in Sicherheit bringen. Als ihre
Mutter uns sagte, dass sie auf der Waldstraße unterwegs sind, haben sich sofort mehrere Rettungstrupps auf den Weg gemacht. Sie waren schon ohnmächtig, als einer unserer Einheiten sie aus dem Wald
bergen konnte. Sie haben sehr viel Glück gehabt.“
Niss und ihre Mutter liegen sich in den Armen und die Tränen der Mutter rinnen über Niss Gesicht. „Ich habe so Angst um Dich gehabt“, schluchzt Nerana. Plötzlich spürt sie, dass sich ihre Tochter
verkrampft. „Was ist los mit Dir?“, fragt sie, während sie zurückweicht. „Raan, … was ist mit Raan? …“, entgegnet ihr Niss, „Seine Stadt war zerstört. … lebt er? … Wo ist er?“ „Ach Niss“, antwortet
ihre Mutter, „das soll er dir am besten alles selbst erzählen, wenn er gleich hierherkommt.“ Niss Augen fangen an zu strahlen. Bevor sie die Frage „Wann kommt er?“ beenden kann, entdeckt sie ihn, wie
er am Eingang der Station um Einlass bittet. Sie will aufstehen und fällt dabei fast aus ihrem Krankenlager. Sie ist noch zu schwach. Doch Raan kommt mit großen schnellen Schritten auf sie
zugelaufen. Die Wiedersehensfreude ist unbeschreiblich.
Nerana steht immer noch mit feuchten Augen in der Krankenstation und ist sich sicher, dass das Schicksal es so will: Ihre Tochter Niss und Raan gehören zusammen. Damit die zwei eine Zeit lang
ungestört sein können, verlässt sie die Station. Beim Herausgehen murmelt sie noch: „Eure Kinder und Kindeskinder werden bis zum Ende des Universums leben.“ Niemand sieht, dass ihre Haare in diesem
Augenblick leicht ultraviolett schimmern.
Nerana, Niss und Raan werden ab jetzt, mit mehreren tausend weiteren ehemaligen Bewohnern der fünf Planeten, auf Stelavis 23 leben. Es ist eins von fast dreihundert Sternenschiffen, die nun das
System der Doppelsonne verlassen.
Als Medavena durch die zweite Sonne zerstört wurde, entschlossen sich die Wissenschaftler auch die restlichen drei Planeten zu evakuieren und die Reise durch das
Universum zu beginnen. Die ehemaligen Bewohner der fünf Planeten sind nun eine Raumfahrernation geworden. Sie nennen sich nun „Voyneys“, welches eine alte Bezeichnung für ein reisendes Volk
ist.
Seit sie ihr Heimatsternensystem verlassen haben, sind mittlerweile mehr als zwanzig Jahre vergangen. Unterwegs wurden neue unbewohnte und für sie geeignete Planeten besiedelt. Es wurden
Freundschaften zu den Bevölkerungen neu entdeckter bewohnter Planeten geschlossen. Es gab auch einige kleinere Völker, die sich den Voyneys angeschlossen haben. Aber Planeten, deren Bewohner noch
nicht die Technik für interstellare Reisen besaßen, wurden nur beobachtet, damit sie sich so entwickeln würden, wie es vom Universum vorgesehen war.
Raan und Niss leben immer noch auf Stelavis 23. Sie haben mittlerweile zwei Kinder und leben in einem relativ großen Quartier. Raan arbeitet bei einem Wartungstrupp, der sich um die Steuerungen des
Sternenschiffes kümmert. Er muss fortwährend irgendwo etwas reparieren oder neu einstellen. Er freut sich bei jedem Feierabend seine Frau Niss, ihren gemeinsamen Sohn Gerin und dessen kleine
Schwester Anaren zu sehen. Anaren hat die auffällige ultraviolette Haarfarbe ihrer Mutter geerbt. Damit fällt sie nicht nur in der Schule auf, sondern ist, wie auch schon Niss, auf dem gesamten
Schiff bekannt. Niss hat den Namen ihrer Tochter als Ananym zum Namen ihrer Mutter Nerana gewählt. Diese hat mittlerweile ein eigenes kleineres Quartier in der Nachbarschaft und arbeitet beim
Wissenschaftsteam. Ihre Abteilung scannt die Umgebung des Weltalls, in der sich die Sternenschiffflotte gerade befindet.
Eines Tages fällt Nerana bei der Auswertung der aktuellen Daten ein Objekt in der Nähe der Flotte auf, das ihnen anscheinend folgt. Es scheint eine große schwarze Kugel mit reflektierender Oberfläche
zu sein. In seiner näheren Umgebung scheint das Weltall zu verschwimmen. Nur daran und an der sehr schwachen Strahlung konnte Nerana das Gebilde erkennen.
Ein kleiner Trupp von Wissenschaftlern und Techniker nähern sich mit einem Bergungsschiff dem Objekt. An Bord ist auch Raan. Er soll die Sicherstellung der Sonde, oder was immer es auch ist, von der
technischen Seite aus betreuen.
„Wir haben keine Möglichkeit die Sonde einzufangen“, meldet Raan dem Leiter der Mission. „Weder können wir sie in irgendeiner Weise mechanisch greifen, noch können wir magnetisch andocken oder es in
ein elektrisches Feld integrieren.“ „Ist denn sichergestellt, dass es sich um eine Sonde handelt?“, fragt ihn der Missionsleiter. „Ja“, antwortet Raan, die Scans der Mutter meiner Frau zeigen
eindeutig, dass sich kein Leben an Bord befindet.“ „Wenn wir dieses Ding nicht auf unser Sternenschiff bringen können, sollten wir eine Verstärkereinheit in seiner Nähe platzieren, damit wir sie über
die Distanz weiter erforschen können“, erklärt der Vorgesetzte.
Raan baut zusammen mit seinen Kollegen eine eigene Sonde so um, dass sie eine der stärksten zur Verfügung stehenden Verstärkereinheiten enthält und sich frei im Weltall bewegen kann. Nachdem sie die
Flugbahn der zusammengefügten Sonde so programmiert haben, dass sie immer in der Nähe des fremden Objektes bleibt und dessen Strahlung stetig in Richtung der Antennen der Stelavis 23 weiterleitet,
wird sie so nah wie nur möglich an der unbekannten Sonde plattziert.
Nerana hat mittlerweile festgestellt, dass die Strahlung, die sie jetzt viel deutlicher empfangen kann, nicht gleichmäßig ist, sondern offenbar eine Codierung enthält. Eines Tages ruft sie ganz
aufgeregt nach ihrem wissenschaftlichen Projektleiter: „Ich habe es geschafft. Ich habe die Codierung entschlüsseln können. Kommen Sie schnell her.“ Alle Wissenschaftler der Station eilen herbei und
staunen nicht schlecht über das, was sie dort erwartet.
Sie sehen nicht direkt Bilder oder hören Töne, sondern es ist ein Gefühl, als würde in ihrem Kopf ein Film abgespielt werden. Sie erleben die Geschichten, die anscheinend in dieser Sonde gespeichert
sind.
Unter all den Geschichten ist auch eine über die Entstehung des Universums. In ihr wird beschrieben, wie die Materie, die sich unter großen Druck und großer Dichte ihm Nichts aufhält, zerbirst und
sich im Universum verteilt. Mit ihr beginnt die Unendlichkeit der Ewigkeit. Es bilden sich Galaxien mit Sonnensystemen, deren Sonnen von Planeten umkreist werden, die wiederum im Mittelpunkt ihrer
Monde stehen. Auf einigen Planeten entsteht im Laufe von Millionen Jahren geringe Vegetationen und Einzeller. Auf anderen eine ausgeprägte Fauna und Flora. Und auf vereinzelten hat sich eine niedrige
oder sogar hohe Intelligenz entwickelt. Viele Völker leben auf ihren Planeten und erfahren nie, wie das Weltall aufgebaut ist. Andere lernen die Raumfahrt kennen, bauen Raumschiffe und expandieren in
die Umgebung ihrer Sonnensysteme. Die Zeit vergeht und hinterlässt ihre Spuren im Universum.
Als sich Nerana an einem freien Tag mit ihrer gesamten Familie zu einem gemeinsamen Essen trifft, erzählt sie von den Erlebnissen mit den Geschichten aus der unbekannten Sonde: „Ich konnte sogar
unser Haus auf Medavena sehen. Und wie Raan und Niss sich kennengelernt haben. Wie der Planet zerstört und Niss in letzter Sekunde gerettet wurde. Abgesehen davon, dass es sehr eindrucksvoll war,
konnte ich auch die Gefühle der einzelnen Personen spüren.“ „Konntest Du uns auch sehen?“, fragt Anaren ganz aufgeregt. „Ja“, antwortete Nerana, „ich konnte deine und auch Gerins Geburt miterleben.
Und wie glücklich Niss und Raan darüber waren.“ Niss erinnert sich an all die Ereignisse und fragt ihre Mutter: „Wie ist das denn möglich, dass diese Geschichten alle in dieser kleinen Sonde
gespeichert sind?“ Nerana versucht es mit ihren Worten zu erklären: „Unsere Wissenschaftler glauben, dass es nicht nur diese eine Sonde gibt, sondern dass es sehr viele davon in der gesamten Galaxie
gibt. Sie müssen auf eine für uns unbekannte Art und Weise miteinander verknüpft sein. Wir haben auch Erlebnisse aus anderen Bereichen sehen können, in denen unser Volk noch nie gewesen ist.“ „Und
woher kommen diese Sonden?“, unterbricht sie Raan. „Das weiß keiner. Ich denke auch nicht, dass wir dies jemals erfahren werden.“ erläutert Nerana weiter.
An diesem Tag sitzen sie noch lange zusammen und reden ausgiebig über die geheimnisvolle Sonde. So wie alle auf diesem und den anderen Sternenschiffen, die sich weiterhin durch das Weltall in die
Zukunft bewegen.
Inzwischen sind mehr als fünftausend Jahre vergangen, seit die Flotte der Voyneys die rätselhafte Sonde entdeckt hat. Die Sonde selbst hat die Sternenschiffe schon vor
langer Zeit verlassen und führt ihre Mission in anderen Teilen der Galaxie fort. Die Nachfahren von Nerana, Niss, Raan, Anaren und Gerin leben weiterhin auf der Stelavis 23 oder einer der
benachbarten Sternenschiffe.
Es ist die Zeit gekommen, in der die Voyneys in der Nähe eines Sonnensystems vorbeifliegen, in dem der dritte Planet von Menschen bevölkert wird. Diese hatten schon die ersten Starts einiger Raketen
in die nähere Umgebung ihres Heimatplaneten durchführen können. Von interstellaren Reisen sind sie aber noch weit entfernt. Die Stelavis 23 soll den Planeten näher erkunden, ohne Kontakt zu den
Bewohnern aufzunehmen. Das eine weitere der geheimnisvollen Sonden diesen Planeten, der von ihren Bewohnern „Erde“ genannt wird, umkreist, bleibt unbemerkt.
Das Sternenschiff nimmt eine Position auf der erdabgewandten Seite des Mondes ein. Ein kleines Forschungsschiff mit zehn Wissenschaftlern fliegt unbemerkt an den Rand einer der größeren Städte auf
dem Planeten. Die Stadt liegt auf dem nördlichen Teil zweier zusammenhängender Kontinente, direkt an einem der großen Ozeane. Beim Anflug entdecken die Wissenschaftler auf der Wasserseite eine
übernatürlich große Statue, die in der einen Hand eine Fackel in die Höhe streckt und im anderen Arm ein Buch hält. Die vielen Hochhäuser erinnert sie an die Erzählungen über ihre alten Planeten. Nur
das hier die Stadt nicht von einer Kuppel geschützt wird. Der Planet umkreist aber auch nur eine Sonne, die nicht so intensiv strahlt wie die zwei Sonnen in ihrem eigenen alten System.
„Hier können wir landen“, sagt der Leiter der Mission zum Piloten, „es sind keine Menschen in der Umgebung zu sehen.“ Anschließend wendet er sich an die gesamte Crew: „Ich möchte, dass alle
ausschwärmen und ihre vorher besprochenen Aufgaben erledigen.“
Die Wissenschaftler nehmen Boden-, Wasser- und Luftproben und sammeln kleinere Gegenstände auf, die anscheinend niemanden gehören. Sie inspizieren alte verlassene und verfallene Holz- und Blechhütten
und können dadurch Rückschlüsse auf die Größe der einheimischen Bevölkerung ziehen. Alte zerfledderte Zeitschriften, die in einer der alten Hütten liegen, geben Aufschluss darüber, dass die
Erdenbewohner sich nur in wenigen Dingen von ihnen selbst unterscheiden. Sie scheinen durchschnittlich kleiner zu sein und die Haut- und Haarfarben variieren von sehr hell bis sehr dunkel.
„Hier ist jemand“, ruft plötzlich einer der Wissenschaftler den anderen zu, „ein kleines Menschenkind liegt hier verletzt unter einigen Decken.“ Alle rennen herbei und reden durcheinander: „Es ist
ein junges Mädchen.“ „Was sollen wir machen?“ „Sie hat uns jetzt gesehen.“ „Wir müssen ihr helfen.“ „Wie alt mag sie wohl sein?“ „Sollen wir sie mit auf unser Schiff nehmen?“ „Wir können sie hier
doch nicht verletzt liegen lassen.“ „Wir dürfen aber keinen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung aufnehmen.“
Dann ergreift der Missionsleiter ein wenig lauter das Wort: „Seien Sie jetzt bitte alle mal still!“ Er wendet sich an einen Kollegen, der weiter hinten steht: „Sie kennen sich doch mit
intergalaktischen Sprachen gut aus. Können Sie Kontakt zu dem Kind aufnehmen?“ „Ja, ich werde es versuchen“, erhält er als Antwort.
Der Sprachwissenschaftler nähert sich vorsichtig dem kleinen Mädchen und versucht zuerst durch Gesten und dann mit einfachen Worten zu ihr zu sprechen. Die einheimische Sprache hat er sich schon vor
der Landung durch das Abhören der vielen irdischen Radiosender angelernt. Nach einiger Zeit entsteht eine einfache Kommunikation zwischen beiden. „Das Mädchen ist fünf Jahre alt und ihr Name ist
Maria“, berichtet er den anderen, „sie hat keine Eltern und lebt hier allein. Sie ist gestürzt und hat sich so stark am Bein verletzt, dass sie nicht mehr ohne Unterstützung laufen kann.“ „Dürfen wir
ihr helfen?“, fragt der Mediziner der Gruppe. „Ja, sie vertraut uns“, antwortet der Sprachwissenschaftler mit einem kurzen Blick zu Maria, die mit dem Kopf nickt, so als würde sie verstehen, worum es
geht.
Marias Wunden werden versorgt und der Leiter der Mission nimmt Kontakt zum Sternenschiff auf, um das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit dem Menschenkind zu klären. Nach langen Beratungen sind sich
alle Verantwortlichen einig. Das kleine Mädchen soll mit auf das Sternenschiff genommen werden. Hier auf der Erde hat sie niemanden, der sie vermissen oder sich um sie kümmern würde.
So betritt der erste Mensch ein Sternenschiff der Voyneys.
Fünfzehn Jahre lebt Maria nun auf dem Sternenschiff, das sich immer noch in der Nähe der Erde befindet. Sie spricht fließend die Sprache der Voyneys und auch die ihres
Heimatplaneten. Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass sie ihre eigene Sprache nicht vernachlässigen darf. Aufgewachsen ist sie in einer Familie, die eine Tochter im fast gleichen Alter wie Maria
hat.
Das Erdenmädchen besuchte mit allen anderen Kindern aus den Nachbarquartieren die gleiche Schule und lernte dort schon vor einigen Jahren ihren Freund Jen kennen. Jen ist deutlich größer als Maria
und war schon immer von ihrer exotischen Art fasziniert. Er hat sich schon in jungen Jahren rührend um sie gekümmert und sie in die Gemeinschaft der anderen Kinder integriert. Maria fühlt sich in
seiner Nähe immer geborgen und beschützt. So verwundert es niemanden, dass sie an ihrem zwanzigsten Geburtstag mit Jen zusammen in ein eigenes kleineres Quartier zieht.
Als Maria nach zwei weiteren Jahren schwanger wird, ist die Aufregung bei den Wissenschaftlern groß. Es wird das erste gemeinsame Kind zwischen zwei Rassen sein, die aus zwei verschiedenen
Sonnensystemen kommen. Die Schwangerschaft bei Maria dauerte nicht so lange, wie es normalerweise bei den Menschen üblich ist. Nach sieben Monaten bringt sie ein kleines Mädchen zur Welt.
„Ich möchte sie Sara nennen“, sagt sie zu Jen, als sie das kleine Wesen zum ersten Mal in den Armen hält, „der Name erinnert mich an die Erde.“ „Ja natürlich, mein Schatz“, antwortet er und blickt
auf seine strahlende Freundin und die kleine Sara, die ihn anlächelt. „Schau Dir mal ihre Haarfarbe an“, bemerkt er weiterhin, „dieses Ultraviolett gab es schon seit fünftausend Jahren nicht mehr in
unserem Volk. Die berühmte Anführerin Anaren hatte als letztes diese ultravioletten Haare. Sie hatte damals unsere gesamte Sternenschiffflotte vor einer großen Katastrophe bewahrt.“ „Dann muss sie
die Haarfarbe über Dich an Sara vererbt haben“, erwidert Maria, „Auf der Erde gibt es keine natürlichen Haare, mit diesem Aussehen.“ „Ja, so muss es sein“, bestätigt Jen. Er ist so baff, dass er sich
erstmal hinsetzen muss.
Einer der letzten Adler kreist über die weiten Felder und verschwindet dann hinter dem großen Waldgebiet, welches sich im östlichen Teil Europas ausbreitet.
Der Wind treibt das bunte Laub der Bäume durch den Park und umweht die Spaziergänger, die an diesem warmen Herbstabend die schöne Landschaft außerhalb der Stadt genießen. „Es kündigt sich wieder ein
milder Winter an“, sagt ein älterer Mann zu seiner Frau, „so wie es die Meteorologen vorausgesagt haben.“ „Ja, einer von vielen in den letzten Jahrzehnten, seitdem sich die Erde erwärmt hat“,
antwortet sie ihm.
Nach Einbruch der Dunkelheit sind die Parks und auch die Straßen der Stadt fast menschenleer. Die Familien sitzen zu Hause vor ihren Multimedia-Anlagen, über die sie mit Freunden und Bekannten in der
ganzen Welt kommunizieren oder sich mit Filmen und Unterhaltungsshows berieseln lassen.
Nur in einer Wohnung ist das Multimedia-Zimmer dunkel. Der Mann ist bei seiner Frau im Krankenhaus. Sie soll in dieser Nacht ihr erstes Kind bekommen. Dass es ein gesunder Junge werden würde, wussten
die Ärzte schon. Sie konnten nur noch nicht die genaue Stunde der Geburt bestimmen. Um zwei Uhr morgens ist es dann soweit. Ob er nun schreit, weil er sich freut das Licht der Welt zu erblicken oder
ob er einfach nur Angst hat, dass weiß keiner. Die Eltern sehen jedenfalls glücklich aus. Er wird sofort gegen alle bekannten Krankheiten geimpft, gegen die es einen Impfstoff gibt und fällt
anschließend in seinen ersten Schlaf.
Der milde Winter kommt wie vorausgesagt. An einem schönen Sonntagvormittag wird der kleine Junge in der Kirche auf den Namen Sascha getauft. Die Eltern sind glücklich endlich eine richtige Familie zu
sein.
Der kleine Sascha wächst in einer harmonischen Familie auf. „Schau mal hier.“ oder „Sieh dir doch das mal an“, sagt die Mutter oft zu ihm, wenn sie zusammen zum Einkaufen in die Stadt fahren oder nur
einfach spazieren gehen. Er lernt viel von der noch intakten Natur in dieser Gegend kennen.
Saschas Vater ist ein gefragter Techniker, der sich oft mehrere Wochen auf Dienstreisen befindet. Dadurch verdient er so viel Geld, dass sich die Mutter ausschließlich auf ihren gemeinsamen Sohn
konzentrieren kann.
Mit drei Jahren kommt Sascha in den Kinderhort. Dort lernt er den Umgang mit anderen Kindern. Es ist wichtig für ihn, denn er beginnt dort jeden zu respektieren, egal welche Abstammung sie haben. Und
es sind viele Kinder, dessen Eltern Fremdarbeiter sind, die andere Hautfarben haben oder die Sprache, die Sascha spricht noch nicht so beherrschen.
Mit sechs Jahren kommt Sascha in die Schule. Es ist auch die Zeit, in der die kleine Iris geboren wird. Sie wird später für Sascha noch eine größere Rolle spielen. Das liegt für ihn aber noch in
ferner Zukunft. Jetzt muss er erst einmal die Schulzeit überwinden. Lesen, Schreiben und Rechnen, sind die ersten wichtigen Fächer in der Schule. Wobei ihm Rechnen am einfachsten fällt, was er
wahrscheinlich von seinem Vater geerbt hat. In späteren Jahren kommen dann noch weitere umfangreichere Fächer auf ihn zu. Die Naturwissenschaften interessieren in immer mehr. Sein Vater, der in der
Firma eine zentralere Position einnimmt und dadurch nicht mehr so oft auf Dienstreisen ist, kann in dabei gut unterstützen.
„Sascha tritt in deine Fußstapfen“, bemerkt Saschas Mutter eines Abends ihrem Mann gegenüber. „Ja, er kann einmal eine Technikerlaufbahn in meiner Firma einschlagen“, entgegnet er ihr.
So geschieht es dann auch, als Sascha achtzehn wird. In dem Unternehmen kommt er sehr gut zurecht und nach ein paar Jahren ist er schon genauso gefragt wie sein Vater. Er ist aber keiner von denen,
die den ganzen Tag lernen und büffeln müssen. Ihm fliegt es mehr oder weniger zu, so dass er in seiner Freizeit viel mit Freunden unternimmt oder auch manchmal allein spazieren geht.
Auf einem dieser Spaziergänge sieht er die mittlerweile sechzehn Jahre junge Iris. Er ist ihr zwar damals in der Schule schon häufiger begegnet, dort war ihm aber das
sechs Jahre jüngere Mädchen nicht aufgefallen. Heute erst sieht er sie mit anderen Augen, wie sie mit ihren Freundinnen auf der Wiese sitzt und über Bücher diskutiert. Ab diesem Tag schlendert er
regelmäßig allein an der Wiese vorbei und schaut zu den Mädchen rüber, die sich dort immer treffen.
Eines Tages ist Iris allein auf der Wiese in ein Buch vertieft. Dennoch bemerkt sie Sascha, als er vorbei geht. Sie hat ihn durchaus schon länger beobachtet, aber bei Mädchen ist das im Allgemeinen
nicht so auffällig. Sie schaut zu ihm rüber, lächelt und winkt ihn zu sich.
Saschas Herz schlägt so heftig, dass er glaubt, jeder könnte es hören. Bei ihr angekommen übernimmt sie sofort die Initiative: „Hallo Sascha, mal wieder allein unterwegs?“ „Ähm, ja“, stottert er
zurück, „Woher weist Du denn meinen Namen?“ Er merkt eine kleine Schweißperle auf seiner Stirn und hofft, dass sie diese nicht sieht. „Der Bruder einer Freundin kennt einen deiner Freunde“, entgegnet
sie ihm ruhig und gelassen und lächelt ihn wieder an. „Setz dich doch zu mir.“ „Ja, gerne“, antwortet er und kniet sich neben ihr auf die Wiese.
Die Zeit nimmt ihren Lauf. Sascha und Iris lernen sich kennen und lieben, beziehen eine gemeinsame Wohnung, heiraten nach einigen Jahren und bekommen einen Sohn, den sie Tay nennen. Es wird eine
glückliche Familie, wie sie Sascha auch von seinen Eltern her kennt. Doch nach drei weiteren Jahren tritt eine Veränderung ein.
Als Sascha nach einer der vereinzelten Dienstreisen nach Hause kommt, hat er ein kleines Mädchen in Tays Alter dabei, um es zu adoptieren. Das löst erstmal eine Krise
in der kleinen Familie aus. „Was ist das für ein Kind?“, „Woher kommt es?“, wird er von Iris ausgefragt. „Und warum bringst Du es mit?“, „Wer ist das?“ Sie überschlägt sich und es dauert ein Moment,
bis Sascha zu Wort kommt: „Ihr Name ist Sara, sie ist drei Jahre alt und ich darf über ihre Herkunft nichts sagen.“ Iris hört ihm weiter kritisch zu. „Sie ist offiziell ein Findelkind.“ „Ist es
illegal?“ wirft sie ein. „Nein“, antwortet er, „bitte vertraue mir. Es wird die Zeit kommen, in der ich Dich über die gesamte Geschichte aufklären darf. Aber jetzt ist es erstmal wichtig, dass dieses
kleine Mädchen bei uns in Sicherheit aufwächst, ohne dass ihre wahre Herkunft bekannt wird.“ Ein kleines Lächeln von Sara, als Iris zu ihr schaut, besänftigt die Situation ein wenig. „Aber warum sind
ihre Haare gefärbt?“ fragt Iris in einem ruhigeren Ton. „Sie sind nicht gefärbt“, widerspricht ihr Sascha, „das ist ihre natürliche Haarfarbe. Das ist auch eines der Geheimnisse, über die ich nicht
reden darf.“
Der kleine Tay ist begeistert von seiner neuen Schwester. Die zwei verbringen eine glückliche Kindheit. In der Schule wird Tay von Sara in allen Fächern weit übertroffen, obwohl er, wie auch sein
Vater und Großvater, im mathematischen Bereich einer der schlaueren Schüler ist. Das Geschwisterpaar ist unzertrennlich und es ist sehr selten, dass jemand eines der beiden Kinder alleine
sieht.
In dem Jahr, in dem beide das zwölfte Lebensjahr erreichen, stirbt ihre Mutter Iris an einer unbekannten Krankheit. Die Ärzte können nur ihre Schmerzen bekämpfen. Für Tay und Sara ist dies ein
unerträglicher Verlust, aber es stärkt die Gemeinschaft der Beiden noch mehr. So leben die zwei zusammen mit dem Vater als eine kleine Familie zusammen, bis in Tays Leben eine neue Veränderung
eintritt.
Eine Flotte von zwanzig Sternenjägern kommt ihm entgegen. Sie teilt sich und nimmt das letzte Raumschiff unter Kreuzfeuer. Sekunden später sausen sie an ihm vorbei,
drehen und greifen von neuem an. Ungefähr die Hälfte von ihnen kann er vernichten, doch jetzt ist er dran. Das letzte Raumschiff zerbirst und die Bruchstücke verlieren sich im Weltall. – GAME OVER
–.
„Hundertzwanzigtausend Punkte. Noch nicht mal High-Score und es war das letzte Geldstück“, brummelte Tay und steigt aus dem Simulator. „Es ist Zeit nach Hause zu gehen. Das Kaufhaus wird sowieso
gleich schließen.“ Er schlendert zum Aufzug, wo schon ein Mädchen mit ihrem Einkaufskorb steht.
„Hey, das ist doch das schöne blonde Mädchen vom Schwimmbad, das vor zwei Monaten in unsere Straße gezogen ist“, denkt er laut und ist jetzt wieder komplett in die Wirklichkeit zurückgekehrt.
Er hat sie schon öfters im Schwimmbad gesehen und manchmal auch in der Stadt. Wenn ihr langes blondes Haar im Wind weht und ihr Gesicht freigibt, weiß er, dass sie für ihn das schönste Mädchen ist,
dass es gibt. Er traute sich bis jetzt nie sie anzusprechen und er kennt niemanden, der mit ihr befreundet ist. So ist es für ihn schwierig an sie heranzukommen. Jetzt steht sie da am Fahrstuhl, auf
den er gerade zugeht. In seinem Magen fängt es an zu kribbeln und sein Herz schlägt schneller. „Hallo“, sagt er verlegen, als er bei ihr ankommt und nicht weiß, ob er nun rot oder bleich im Gesicht
wird.
„Hallo“, sagt sie und lächelt ihn freundlich an. „Bist du nicht letztens in unsere Straße gezogen?“, fängt Tay an, um seine Nervosität zu überspielen. „Wir sind letztens in die sechsunddreißigste
Straße gezogen. Wenn das die Straße ist, in der Du auch wohnst, dann ja“, antwortet sie. „Ja, da wohne ich auch“, erwidert Tay erfreut. Jetzt merkt er auch erst, dass die Störanzeige am Aufzug
leuchtet. „Der Aufzug ist ja kaputt“, sagt er dann zu ihr, „da müssen wir wohl die Treppen runterlaufen.“ „Ach ja, das habe ich gar nicht gemerkt“, lächelt sie ihm entgegen und Tay schmilzt
dahin.
Im Treppenhaus kommen sie dann weiter ins Gespräch. „Wie heißt Du eigentlich?“, fragt Tay. „Ich heiße Christin, und Du?“ „Ich heiße Tay, Tay Sellin.“ Sie sind erst im dritten Stock. „Ich habe dich
öfters im Schwimmbad und auf der Straße gesehen“, fährt Tay fort, „ich habe Dich dort schon oft ansprechen wollen, mich aber nicht getraut.“ Nach einer kurzen stillen Pause, in der sich die zwei ein
wenig verlegen anschauen, beginnt Tay wieder: "Da wir in derselben Straße wohnen, können wir ja mal was zusammen unternehmen. Wir könnten zusammen einen Einkaufsbummel machen, oder uns einfach mal so
treffen.“ „Ja, warum eigentlich nicht“, erwidert Christin mit einem bezaubernden Lächeln und die Sonnenstrahlen, die durch die Eingangstür hereinkommen, spielen mit ihrem langen blonden Haar. Tay
fühlt sich wie im siebten Himmel. Er öffnet ihr die Tür. „Du fährst doch bei mir mit, oder? Wir haben ja den gleichen Weg.“ Sie nickt dankend und ist froh, nicht wieder in der überfüllten U-Bahn
sitzen zu müssen. Als sie auf dem Parkplatz bei einem großen Kombi ankommen und Tay die Tür auf der Beifahrerseite öffnet, fragt Christin erstaunt: „Ist das dein Wagen?“ „Nein, der gehört meinem
Vater. Ich kann mir noch kein Auto leisten.“ Er lässt sie einsteigen, steigt dann selbst ein und fährt los.
Der Verkehr ist nicht so dicht wie sonst und sie kommen schnell vorwärts. Unterwegs sprechen sie nicht. Erst als sie in ihrer Straße einbiegen nimmt Tay das Gespräch wieder auf: „Es scheint als würde
es morgen schönes Wetter geben.“ Er zeigt auf den wolkenlosen Himmel. „Soll ich dich morgen zum Schwimmbad abholen?“ „Ja, das wäre nett“, antwortet sie, „aber wenn es geht, dann erst um drei Uhr. Ich
muss vormittags noch meiner Mutter helfen.“ „Das geht in Ordnung“, sagt er. „Ich hole dich dann kurz nach drei ab.“ Er reicht ihr den Korb raus und wirft ihr einen lächelnden Blick zu. Sie lächelt
zurück und winkt zum Abschied. Dann verschwindet sie in der Haustür und Tay fährt ein paar Häuser weiter, bis auch er zuhause ist.
Seine Schwester Sara sieht ihn schon vom Fenster aus und bemerkt seinen fröhlichen Gesichtsausdruck, mit dem er aus dem Auto steigt und zum Haus kommt. Sie öffnet ihm und fragt gleich nach dem
ungewöhnlichen Benehmen: „Was ist denn mit Dir los? Hast Du in einer Lotterie gewonnen?“ „Nein“, antwortet Tay und erzählt ihr die ganze Geschichte. Sara, die weiß, dass er sich in dieses blonde
Mädchen verliebt hat, freut sich mit ihm und wünscht ihm viel Glück.
In der Nacht kann er kaum schlafen. Am nächsten Morgen ist er kribbelig und übermüdet. Beim Frühstück, nachdem Tay den Tee verschüttet hat, fragt der Vater: „Was ist
los mit Dir, Tay? Du bist so nervös.“ „Ich gehe heute Nachmittag mit Christin ins Schwimmbad.“ „Ist das das blonde Mädchen aus unserer Straße?“ „Ja, ja“, erwidert Tay und Sara mischt sich ein: „Kann
ich mitkommen? Bis dahin habe ich meine Arbeit fertig.“ „Na sicher kannst Du mitkommen. Dann lernst Du sie wenigstens auch kennen. Sie ist wirklich sehr nett“, versichert Tay.
Nach dem Mittagessen holen Tay und Sara Christin ab. Ihre kleine Schwester Sandra ist auch mit dabei. Es ist ein Fußweg von ungefähr fünfzehn Minuten. Tay ist jetzt wieder ein wenig ruhiger als
gestern. Er kann nicht so aus sich herauskommen, wenn seine Schwester dabei ist.
Im Schwimmbad suchen sie sich einen schönen Rasenplatz und lassen sich dort nieder. Tay und die kleine Sandra wollen ins Wasser, um sich abzukühlen. Christin und Sara jedoch noch nicht. „Nein, wir
bleiben hier“, sagt Sara. „Wir führen mal ein Gespräch so von Mädchen zu Mädchen.“ Tay grinst und verschwindet mit Sandra im Gewühl der Jugendlichen. „Erzähl doch mal etwas von euch“, fängt Sara an
„wie alt seid ihr denn und wo kommt ihr her?" „Sandra ist fünfzehn und ich bin siebzehn“, antwortet Christin und erzählt dann weiter: „Wir haben weit im Westen gelebt und hatten dort ein kleines
Häuschen am Rand einer kleinen Stadt. Es war eine schöne Zeit, aber vor einem halben Jahr ist unser Vater an Krebs gestorben.“ Man merkt, dass ihre Augen feucht werden. „Wir mussten dann aus dem Haus
ausziehen, weil unsere Mutter es allein nicht mehr bezahlen konnte.“ „Das tut mir leid“, versucht Sara Christin zu trösten. „Ich weiß, wie schlimm das ist. Unsere Mutter ist vor sieben Jahren
gestorben und ich werde die Zeit mit ihr nie vergessen.“ Nach einer stillen Pause in der Sara einen Wasserball, der auf ihrer Decke landet, zurückwirft, erzählt Christin weiter: „Sandra
verschlechterte sich in der Schule so stark, dass sie eine Klasse wiederholen musste. Unsere Freundschaften haben wir durch den Umzug auch verloren. Ihr seid die ersten, die wir hier kennenlernen.“
„Wir werden bestimmt gute Freunde werden“, wirft Sara ein und umarmt Christin. „Wie man sieht, verstehen sich Tay und Sandra auch ganz gut.“ Sie schauen rüber zum Swimmingpool und sehen, wie die
beiden sich im Wasser austoben. „Wie alt seid ihr eigentlich?“, fragt Christin „Wir sind beide Neunzehn.“ „Dann seid ihr ja Zwillinge.“ „Nein, ich bin nur seine Adoptivschwester und ein halbes Jahr
älter als er. Das erzähl ich Dir aber ein anderes Mal, denn unsere Wasserratten kommen zurück.“
„Na, ihr Tratschtanten. Was habt ihr denn euch so alles erzählt?“, ruft Tay, als er gefolgt von Sandra angerannt kommt und die beiden nassspritzt. „Sei nicht so neugierig Tay“, entgegnet Sara und
schlägt mit dem Handtuch auf ihn ein. Sie toben sich aus, gehen nochmal alle vier ins Wasser und lassen sich anschließend von der Sonne bräunen.
Es ist ein schöner Nachmittag. Einer von vielen die noch folgen würden.
Besonders Sara und Christin freunden sich an. Tay wird eifersüchtig auf seine Schwester, weil sie öfters Zeit mit Christin verbringt als er. „Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein“, sagt Sara, als
sie eines Abends mit Tay gemütlich zusammensitzt. „Es wäre sowieso nicht so gut, wenn ihr euch so oft sehen würdet.“ „Aber du weißt doch, dass ich sie sehr gerne habe und mit ihr zusammen Zeit
verbringen möchte.“, wirft Tay traurig ein. „Ja, das weiß ich. Du musst ihr aber Zeit lassen. Sie muss noch andere Leute kennenlernen, bevor sie sich für Dich entscheiden kann.“ „Und wenn ich sie
verliere?“ „Du verlierst sie nicht. Wenn Du sie wirklich so gerne hast, dann musst Du dir Zeit lassen und darfst sie nicht aufgeben.“ Als er abends im Bett liegt, denkt er noch viel nach, bevor er
einschläft. Er weiß, dass seine Schwester recht hat. Es wird aber für ihn schwer werden, sich immer richtig zu verhalten.
Der Sommer geht seinem Ende zu. Christin und Sandra gehen wieder in die Schule. Für Christin ist es das letzte Schuljahr. Sie hat schon eine Lehrstelle für das nächste Jahr bei einer Bürofirma in
Aussicht. Sandra hat noch drei Jahre Schule vor sich. Tay und Sara kommen nun beide in das dritte Lehrjahr. Tay als Computerfachmann in der Firma, in der auch sein Vater arbeitet. Und Sara als
Biologie- und Genforschungs-Assistentin in einer anderen großen Firma. Sie haben nun zwar alle vier weniger Zeit, aber sie unternehmen dennoch häufig am Abend oder am Wochenende etwas zusammen. Es
geschieht immer noch nicht, dass Tay und Christin sich allein treffen, aber er ist jetzt öfters dabei, wenn sich Sara mit ihr trifft.
Als Sara eines Tages wieder bei Christin ist, sprechen sie auch über Tay: „Doch, ich mag ihn auch sehr, aber ich möchte es ihm noch nicht so zeigen. Du weißt doch, wie das ist?“, gesteht Christin.
Sie sitzen auf dem Boden bei Kerzenlicht und trinken Tee. „Da fällt mir ein“, beginnt Sara wieder, „Es ist jetzt an der Zeit, dir meine ganze Lebensgeschichte zu erzählen. Durch meine Herkunft habe
ich ein sehr feines Gespür dafür, wer mein Freund ist und wer nicht. Und bei Dir weiß ich, dass Du meine beste Freundin bist, und dass wir noch viel zusammen erleben werden.“ Christin ist gerührt und
bringt nur ein „Danke“ heraus. Sie trinken beide noch ein Schluck Tee und Sara beginnt mit ihrer Geschichte.
„Meine Mutter Maria wurde auf der Erde geboren und als Kind ausgesetzt. Als sie fünf Jahre alt war, wurde sie von Außerirdischen gefunden und mitgenommen. Als
Erwachsene bekam sie mit ihrem außerirdischen Freund Jen ein Kind.“ Sara nimmt einen Schluck Tee. „Und das bin ich.“
Sara macht eine Pause. Christin sitzt ihr regungslos gegenüber und ihr Tee wird langsam kalt. Ihre langen blonden Haare, die bis zum Po reichen, schimmern im Kerzenlicht. „Deshalb deine ungewöhnliche
Haarfarbe“, kommt ganz leise aus ihrem Mund. „Erzähl weiter.“
„Bei einem Unfall auf dem Raumschiff kam meine Mutter ums Leben. Ich war drei Jahre alt und sie waren der Meinung, dass ich auf der Erde aufwachsen soll. Da sie mittlerweile Kontakt zu Tays Vater
Sascha hatten, vertrauten sie mich ihm an. Und so wurde ich Tays Schwester.“
„Und daran erinnerst Du dich noch?“, fragt Christin. „Kaum, ich habe nur eine ganz wage Vorstellung vom Leben auf dem Raumschiff“, entgegnet Sara. „Mein Vater, also Sascha, hat mir dies alles
erzählt. Anscheinend haben die Außerirdischen damit einen längeren Plan verfolgt, den wir aber nicht kennen.“
Christin trinkt ihren mittlerweile kalt gewordenen Tee aus: „Danke für dein Vertrauen. Ich denke, dass ich auch Tay gegenüber meine Gefühle offener zeigen sollte. Ich weiß nicht, ob Du verstehen
kannst, wie wichtig mir eure Freundschaft und wie wichtig mir Tay geworden ist.“ „Doch, das weiß ich“, erwidert Sara und ihre ultravioletten Haare leuchten leicht.
Es regnet und Tay sucht auf dem Dachboden nach einem kleinen Kästchen, die sein Vater Sascha für ihn dort versteckt hat.
Sein Vater starb heute früh, nachdem sein linker Arm und sein linkes Bein vor zwei Tagen von einer Granate zerfetzt wurden. Bevor er seine Augen für immer schloss, gab er Tay den Auftrag den Inhalt
des Kästchens an sich zu nehmen und auszuführen, was in dem schwarzen Buch steht.
Jetzt sucht Tay in dem Trümmerhaufen auf dem Dachboden nach diesem Kästchen. Er hört die Panzer, die durch seine Straßen zur Front fahren. Währenddessen trommelt der Regen auf das Dach und fließt
durch das Einschlagloch der Granate herein. Er achtet nicht auf den Luftalarm, denn er hat keine Angst.
„Hast du es gefunden?“ ruft seine Schwester Sara als sie die Holzleiter zum Dachboden hochgestiegen kommt. „Nein, noch nicht“, antwortet er „aber sie muss hier in der Truhe sein.“
Sara steht jetzt im fahlen Schein der Lampe. „Ich habe alles Nötige zusammengepackt und im Auto verstaut.“ In ihren alten Jeans und den dreckigen Turnschuhen sieht sie wie ein Mädchen aus, welches es
auch mal mit einem Jungen aufnehmen kann. Trotzdem sieht man einige Tränen aus ihren dunklen Augen über die Wangen laufen. „Ich habe Vater in die hintere Ecke des Kellers gelegt und ihn unter ein
paar Decken begraben. Zu mehr haben wir keine Zeit.“ Sie legt ihre Hände auf ihr Gesicht und das Schluchzen kann Tay wegen der Einschläge der Granaten nicht hören.
Als die Bomber und ihre detonierenden Bomben näherkommen, findet Tay das kleine Kästchen. Er öffnet es, entdeckt das schwarze Buch und ein kleines glänzendes Metallding, welches eine flache
zylindrische Form mit einem Punkt in der Mitte und eine runde Öffnung an der Seite hat.
Er setzt sich hin, schlägt das Buch auf und liest was dort geschrieben steht. Auf der ersten Seite sind Zeichen, die er noch nie gesehen hat. Ab der zweiten Seite ist dann alles in der Handschrift
seines Vaters geschrieben: „Das, was ich dir schreibe, wurde mir von dem Raumfahrervolk diktiert, bei denen Saras Mutter Maria aufgewachsen ist und die zum Teil Saras Vorfahren sind.“
Tay macht eine kurze Pause und schaut zu Sara. Er kennt natürlich ihre wahre Herkunft.
„Wenn die Zeit gekommen ist“, liest er weiter, „erhältst Du den Auftrag, mit allen deinen Freunden in eurem Alter oder jünger die menschliche Rasse zu erhalten. Zu diesem Zweck hat dieses Volk,
welche sich „Voyneys“ nennen, was so viel wie „Reisende“ bedeutet, ein kleines Raumschiff in einer unterirdischen Station versteckt. Der Eingang wird auf einer beigefügten Landkarte unserer Gegend
beschrieben. Mit dem Öffner, der sich auch in dem Kästchen befindet, kommt ihr hinein. In der Station erhältst Du weitere Instruktionen und Erklärungen, wie das Raumschiff zu bedienen ist. Ich hoffe
du wirst es schaffen, denn die Menschheit liegt nun in euren Händen.“
Tay legt das schwarze Buch und das glänzende Metallding wieder in das Kästchen, nimmt dieses und verlässt den Dachboden.
„Wir müssen uns beeilen“, ruft Sara, die aus ihrer Trauer erwacht. „Die Einschläge sind schon sehr nah und wir müssen noch Christin und Sandra abholen. Oder willst du ohne sie fahren?“ „Nein, ich
würde diese Stadt nie ohne Christin verlassen.“ „Ja, das weiß ich“, erwidert Sara mit einem leichten Lächeln und folgt ihm. „Schnell!“, ruft Tay, als das Haus auf der gegenüberliegenden Seite der
Straße zusammenbricht.
Sie verlassen ihr Elternhaus, in dem ihr toter Vater liegt. Christin und Sandra, die ihre Mutter schon vor zwei Wochen verloren hatten, kommen ihnen entgegengelaufen. Während der Fahrt erzählt Tay
ihnen die ganze Geschichte. Christin weiß von Saras Herkunft. Für Sandra ist das alles neu. Nun sind sie unterwegs, um ihre gemeinsamen Freunde zu suchen.
Als sie durch die zerstörten Straßen zum großen Bunker kommen, treffen sie Joy mit Freundin Kendra und seiner kleinen Schwester Danka, auf die er immer aufpassen muss.
Joy und Kendra sind ungefähr im Alter von Tay und Christin und sind äußerlich so unterschiedlich, dass niemand denken würde, dass sie ein Paar sind. Joy hat lange schwarze leicht gewellte Haare,
trägt eine ausgefranzte Lederjacke und zerrissene Jeans. Er ist auch derjenige, der noch viele Liedertexte über diese Zeitepoche schreiben wird, die noch Jahrhunderte später in den Kolonien bekannt
sind. Kendra hingegen mit ihren kurzen pinkgefärbten Haaren trägt eine weiße Bluse und einen Rock. Danka ist noch deutlich jünger als Sandra und immer sehr aufgedreht. Wer aber denkt, dass sie,
obwohl sie ständig herumflippt, sich der Situation nicht bewusst ist, der irrt sich gewaltig.
„Wir wollen zum Supermarkt am Stadtrand“, ruft ihnen Tay aus dem Kombi zu. „Hier sind wir nicht sicher. Die gesamte Stadt wird bald zerstört werden.“ „Das wird aber eng in eurem Auto“, ruft Danka
zurück. „Trienna sollte bald mit einem kleinen Transporter kommen“, antwortet Tay. Als hätte sie es gehört, kommt die große schlanke junge Frau in dem Moment um die Ecke gefahren. Ihre blonden Haare
sind zu einem langen Zopf geflochten. Die Zwillingsbrüder Maron und Ramon, welche kaum zu unterscheiden sind, sitzen schon im Fahrzeug. „Joy, Kendra, und Du, kleine Schwester von Joy, steigt ein. Wir
haben hier noch viel Platz“, sagt Ramon, nachdem er die Laderaumtür geöffnet hat.
Sie alle zusammen fahren weiter zu dem Treffpunkt auf dem kleinen Parkdeck des Supermarktes. Unterwegs laufen ihnen noch Arto mit Tamara und Mey über den Weg. „Ich will zu Sandra ins Auto“, sagt Mey,
steigt hinten in den Kombi ein und umarmt Sandra herzlich. Arto und Tamara finden im Transporter platz. Am Supermarkt angekommen, sitzen schon Claressa, Jerina mit ihrem Bruder Kim und Scarlett auf
ein paar kaputten Autos. Kurze Zeit später kommt noch Hugo mit seinem alten Auto dazu, in dem auch Tyra und Delilah sitzen.
Jetzt ist die Gruppe komplett. Zwanzig junge Menschen, die dem Exodus entkommen wollen. Als sie alle in einem Kreis zusammensitzen und wieder Ruhe eingekehrt ist, erklärt ihnen Tay die gesamte
Situation.
Sie kommen zu dem Entschluss, dass sie den Auftrag, der ihnen erteilt wurde, ausführen müssen. Die menschliche Rasse soll vor der Ausrottung bewahrt werden. Anschließend beraten sie, wie es weiter
gehen soll. Sie dürfen keinem etwas davon erzählen. Nicht einmal ihren Eltern, wenn diese noch leben würden.
Die wichtigsten persönlichen Gegenstände hat im Krieg jeder bei sich, weil keiner weis, ob sein Zuhause am nächsten Morgen noch existieren würde. So machen sie sich direkt auf den Weg zu der
unterirdischen Station, die auf der Landkarte im schwarzen Buch eingezeichnet ist. Der Weg ist nicht immer einfach. Viele Straßen sind so verschüttet, dass sie umkehren müssen und dann erst mit
größeren Umwegen zum Rand der Stadt kommen.
Jetzt haben sie noch ungefähr 8 Kilometer vor sich, bis sie zu einem kleinen Wäldchen kommen würden, in dem ein größerer Felsen steht. Nach 100 Meter ist das erste Hindernis eine Stacheldrahtsperre.
Hier reist sich fast jeder etwas auf. Jerina erwischt es besonders schlimm. Sie stürzt beim Klettern über den Zaun und zieht sich eine 30 cm lange tiefe Risswunde an der rechten Seite zu. Obwohl sie
stark blutet, kann sie von Kim gestützt weitergehen.
Nach einer Stunde müssen sie ein Minenfeld durchqueren. Dafür nehmen sie größere Steine, die sie in die Richtung werfen, in die sie gehen wollen. Als eine Mine nur vier Meter von Danka entfernt
explodiert, zerschmettert ein Splitter ihr linkes Bein und ein weiterer dringt in ihren Bauch ein. Sie wird ohnmächtig und ist überall mit Blut überströmt. Zunächst glaubt jeder, dass sie tot ist.
Als sie jedoch merken, dass sie noch leicht atmet, trägt sie ihr Bruder Joy mit Tränen in den Augen weiter. Kendra versucht ihn zu trösten, fängt aber selber an zu weinen, weil die kleine Schwester
ihres Freundes für sie schon wie eine eigene geworden ist.
Nach einer weiteren Stunde erreichen sie das Wäldchen. Es fängt wieder an zu regnen und der Himmel wird dunkler. Tay trägt Danka auf seinen Armen, weil Joy unter ihrer Last zusammengebrochen war. Er
legt sie am Waldrand ab und macht sich mit Christin, Hugo, Tyra und Delilah auf den Weg. Sie versuchen den versteckten Eingang im Felsen zu finden. Die restlichen bleiben am Waldrand zurück, um sich
ein wenig auszuruhen. Jerina hat sehr viel Blut verloren und wird zum Schluss von Claressa und Scarlett gestützt. Als sie da geschützt unter den Bäumen sitzen, sehen sie wie eine große Bomberstaffel
zur Stadt fliegt und sie vollständig vernichtet.
Die Sonne dringt durch die Wolken, steht tief über dem Wald und strahlt auf die zerstörte Stadt, über der ein Regenbogen zu sehen ist. Tay und die anderen kommen zurück und führen die Gruppe zum
Felsen. Dort angekommen, drückt Tay auf den Punkt in der Mitte des glänzenden Metalldings, welches er auf den Felsen gerichtet hat. Ohne das geringste Geräusch wird eine ovale Öffnung mit 2 Meter
Durchmesser sichtbar. Sie gehen hinein. Danka und Jerina werden jetzt beide von je zwei Personen getragen. Hinter ihnen schließt sich der Durchgang wieder. Das Sonnenlicht verschwindet und der Raum,
in dem sie stehen, ist in hellblaues Licht gehüllt.
Sie steigen in eine Art Aufzug, der sie zuerst abwärts und dann seitwärts bis zu einem kleinen Raum mit technischen Equipment transportiert. Überall leuchtet und
blinkt es in verschiedenen Farben. Durch eine große Glasscheibe können sie eine riesige Halle sehen in der das Raumschiff steht. Es ist ein lang gezogenes plattgedrücktes eiförmiges Gebilde, das
ungefähr 15 Meter hoch, 20 Meter breit und 40 Meter lang ist. Seine Oberfläche ist mit einer mitternachtsblauen metallischen Farbe überzogen und an der Seite steht in silberner Schrift „Terra-Ex“.
Darunter sind ähnliche Zeichen, die Tay schon in dem schwarzen Buch gesehen hat.
Nach ungefähr 3 Minuten, als sie sich in dem Raum schon ein wenig umgesehen haben, hören sie eine Stimme die anfängt zu ihnen zu sprechen. Sie klingt ausdruckslos, aber in menschlicher Sprache. Tay
kommt es vor, als sei es die Stimme seines Vaters. Und so ist es fast auch:
„Hallo Tay du wirst dich wundern meine Stimme hier zu hören. Es ist nicht meine echte, sondern nur eine elektronische. Mein Gehirn mit allen Gedanken, Ideen, Erinnerungen und anderen Funktionen wurde
in einer elektronischen Seelenkugel gespeichert. Diese Kugel kann in jeden Computer der Voyneys und ihren Verbündeten eingesetzt werden. So kann ich euch hören und zu euch sprechen. So könnt ihr mit
meiner Seelenkugel reden, als wenn ihr mit mir persönlich reden würdet. Ich werde also immer bei euch sein und euch Ratschläge geben können.“
Die Gruppe erfährt jetzt auch das Wichtigste über das kleine Raumschiff und dass der Bordcomputer den größten Teil der Steuerung übernehmen wird. Dass sie sich noch mit den Voyneys treffen und in der
Station einer Strahlung ausgesetzt werden, die ihre Alterung auf ein Zehntel herabsetzt. So würden sie ab dem Zeitpunkt zehnmal so lange leben, wie normalerweise und somit auch weite Strecken fliegen
können, um so einen neuen geeigneten Planeten zu finden, auf dem sie eine neue menschliche Zivilisation ansiedeln können.
Nachdem in einem kleinen Raum jeder fünf Minuten lang der Strahlung ausgesetzt wurde, bringen sie Jerina und Danka in die Krankenstation des Raumschiffes. Dort wird Jerinas Blutung gestillt und ihr
Verlust mit synthetischem Blutersatz aufgefüllt. Dankas linkes Bein wird fixiert und der Minensplitter später mit Hilfe eines fest installierten Medizin-Roboters aus ihrem Bauch entfernt. Erst jetzt
legen sich die anderen in die verschiedenen Zimmer des Raumschiffes, um ein wenig zu schlafen.
Am nächsten Morgen frühstücken sie und besichtigen anschließend das Raumschiff. Auf der mittleren Ebene ist die Wohneinheit. Es ist die größte und hat zwölf Zimmer mit je zwei Betten, ein Esszimmer
mit Küche und einen kleinen Vorratsraum. Weiterhin gibt es ein Bad und ein WC, die Krankenstation und mehrere Aufenthaltsräume.
Im oberen Deck ist die Schiffsbrücke, der Funkraum und ein 20 Meter langer Bordcomputer. Sowie die Energie-, Wasser- und Luft-Versorgung und das Herzstück des Schiffs: der Gravitations-Diskus. Er
kann andere Schwerkraftfelder aufheben, ein eigenes Aufbauen, ein Antigraffeld als Schutzschirm einsetzen und noch einige Dinge, die die Jugendlichen nicht verstehen.
Die untere Ebene ist einzig und allein eine große Lagerfläche. Hier befinden sich unter anderem auch viele zylindrische Behälter, die mit verschiedenen Tier- und Pflanzenarten beschriftet sind. Auf
einigen Behältern stehen die Namen von Menschen aus verschiedenen Regionen und Kontinenten. „Das ist also das Vermächtnis der menschlichen Rasse der Erde, die jetzt erhalten werden soll“, murmelt
Ramon. Weitere mittlerweile bekannte Zeichen lassen erkennen, das diese gesamten Genproben von den Außerirdischen gesammelt und hier gelagert wurden. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass Tay und Sara
zusammen mit ihren Freunden und Freundinnen das Aussterben der irdischen Fauna und Flora abwenden sollen.
Ein kleines Beben unterbricht die Besichtigung. Eine verirrte Rakete ist am Waldrand detoniert. „Ihr seid hier sicher“, ertönt Saschas künstliche Stimme aus den Lautsprechern, „aber ihr solltet euch
langsam auf den Start vorbereiten.“
Maron und Ramon bleiben auf der unteren Ebene und erforschen neben den zylindrischen Behältern auch die anderen dort gelagerten Kisten. Tay und Sara, sowie Trienna, Hugo und Joy betreten die
Schiffsbrücke und versuchen die verschiedenen Instrumente zu deuten. Arto und Kendra gehen zu Jerina und Danka in die Krankenstation. Danka schläft tief und fest und Jerinas Risswunde fängt an zu
verheilen. Alle anderen verteilen sich auf verschiedene Aufenthaltsräume.
Der Start selbst ist kaum spürbar. Sie sehen über die Monitore ihre bereits komplett zerstörte Stadt immer kleiner werden. Gesamte Landstriche brennen lichterloh und am Horizont erleuchten einige
Atompilze den Himmel. Als sie die Atmosphäre verlassen, sehen sie die sonst so schöne blaue Erde in ein tiefes Grau gehüllt. „Sie haben es getan, sie haben es wirklich getan“, kommt aus Joys Mund und
sein Kopf senkt sich.
Nach einigen Tagen erreicht die Terra-Ex das große mittlerweile sehr alte Sternenschiff Stelavis 23. Einige der älteren Wissenschaftler, die damals Maria auf der Erde
aufgelesen hatten, empfangen die Menschenkinder an der Andockstation. Die meisten von ihnen haben die menschliche Sprache gelernt um den Neuankömmlingen gebührend entgegenzutreten. Einer der Männer,
die im Hintergrund stehen geht mit großen Schritten auf Sara zu. Er erkennt sie sofort an ihren Haaren. Sie erkennt ihn aber überhaupt nicht. „Hallo Sara, ich bin Jen, ich bin dein Vater.“ Sara
greift nach Tays Hand. Damit hat sie nicht gerechnet, daran hat sie überhaupt nicht gedacht. „Hallo Vater“, kommt es mit gedämpfter Stimme von der sonst so beherzten jungen Frau.
Danka und Jerina werden sofort auf die Krankenstation gebracht, auf der vor mehr als 5000 Jahren schon Niss von den gelb gekleideten Ärzten aus ihrer tiefen Ohnmacht gerettet wurde. Alle anderen
werden von den Wissenschaftlern in vorbereitete Quartiere begleitet. Diese liegen alle zentral auf einer Ebene. Einige der Quartiere wurden extra von Bewohnern dafür zur Verfügung gestellt.
Mit der Zeit lernen die neuen Bewohner von der Erde erst die Einheimischen in den Nachbarquartieren und dann in den anderen Ebenen des Sternenschiffes kennen. Die jüngeren, wie Sandra, Mey und
Scarlett besuchen mit den anderen Kindern die Schule. Auch Jerina und Danka, die mittlerweile vollständig genesen sind, sind dabei. Einige der älteren, wie Tay, Trienna und Hugo arbeiten eng mit dem
Führungsstab des Sternenschiffes zusammen. Maron und Ramon sind zusammen mit den Wissenschaftlern für die Lagerung des irdischen Genpools verantwortlich. Und Sara ist oft mit ihrem Vater auf der
Stelavis 23 unterwegs, um viel über diese Seite ihrer Herkunft kennenzulernen.
Eines Tages führt Jen sie in eine große Halle, die sich im oberen Teil des Sternenschiffes befindet. Hier steht eine Skulptur von Anaren. Auf dem Sockel ist eine Inschrift graviert. „Wer ist das und
was bedeutet die Inschrift“, fragt Sara ihren Vater. „Das ist Anaren, sie ist eine Vorfahrin von mir und somit auch von dir. Sie hat vor ungefähr 5000 Jahren gelebt und war vor dir die letzte, die
diese unverwechselbaren ultravioletten Haare hatte. Von ihr hast du also die Haarfarbe geerbt. Sie hatte damals uns alle gerettet, indem sie frühzeitig ein fremdes zerstörerisches Raumschiff
entdeckte, welches von Maschinen gesteuert wurde und uns alle vernichten wollte.“ Sara hört aufmerksam zu. „Am Ende ihrer Zeit waren ihre letzten Worte auf dem Sterbebett eine Art Prophezeiung.“ Die
Stimme von Jen wird förmlicher: „Ein Stern wird leuchten, der kein Stern ist. Und eine vergessene Zivilisation wird die Galaxie von dem Bösen befreien.“ Er macht eine kurze Pause. „Und diese
Prophezeiung ist auf dem Sockel niedergeschrieben.“
Mittlerweile ist die Stelavis 23 mit den neuen Bewohnern von der Erde fast hundert Jahre unterwegs. Durch die herabgesetzte Alterung sind die ehemaligen Erdenbewohner aber nur um ungefähr zehn Jahre
gealtert. Schon vor einigen Jahrzehnten hat Christins Schwester Sandra das gemeinsame Quartier von Tay und Christin verlassen und ist mit ihrer Freundin Mey in ein eigenes gezogen. „Komm mit!“ Sandra
nimmt zärtlich, aber bestimmend Meys Hand und rennt los. „Wohin?“ Mey versucht beim Laufen ihr Gleichgewicht zu halten. „Er kommt, er kommt!“ „Wer kommt?“ „Mein Neffe kommt.“ Die Geburtshelferin
verlässt gerade Tay und Christins Quartier, als Sandra und Mey ankommen und sich an ihr vorbei durch die noch geöffnete Tür hineindrängen. Christin schaut hoch zu ihrer Schwester. In ihren Armen in
weichen Tüchern eingewickelt liegt der kleine Airam. Tay wählte den Namen seines Sohnes nach einer sehr alten Tradition der Voyneys als Ananym zum Namen der Mutter seiner Schwester aus. Tay sieht
Christins bezauberndes Lächeln und erinnert sich an ihr erstes Kennenlernen im Treppenhaus eines Kaufhauses auf der Erde, als die Sonnenstrahlen mit ihren langen blonden Haaren spielten. „Oh, ist der
süß“, kommt es gleichzeitig aus Sandra und Meys Mund.
Es vergehen weitere 300 Jahre nach der alten Erdzeitrechnung. Die Stelavis 23 ist kurz davor ihr Reiseziel zu erreichen. Sandra und Mey haben ein halbes Dutzend Kinder adoptiert, die ihre Verwandten
bei tragischen Unglücken verloren haben. Airam ist erwachsen geworden und hat das Quartier seiner Eltern verlassen. Er hat nicht nur bei den Nachkommen der Erdenmenschen ein hohes Ansehen erworben.
Sara aber ist aufgestiegen. Sie ist die Anführerin der Voyneys geworden. Nicht nur der, die auf der Stelavis 23 leben, sondern aller, die auf den vielen Sternenschiffen in der Galaxie unterwegs sind.
Sie ist eine würdige Nachfolgerin ihrer Vorfahrin Anaren.
Sara hält ihre erste große Rede auf dem Sternenschiff. Sie bemerkt während der Rede zwei Wesen in der Menge. Eines der beiden hat ultraviolette Haare, was eigentlich nicht sein kann. Als die Menge
aus Anerkennung an Saras Rede anfängt im einheitlichen Takt auf den Boden zu stampfen, sieht sie wie seine Augen anfangen zu glänzen und eine Träne über seine Wange läuft. Dann, von einem Augenblick
auf den anderen, sind sie verschwunden.
Eine schöne große Doppelsonne. Sie leuchtet sehr hell. Jedoch nicht so intensiv, wie die Doppelsonne der Vorfahren der Voyneys auf dem Planeten Medavena. Sieben der 15
Planeten, die diese Doppelsonne umkreisen scheinen bewohnbar zu sein. Auf dem äußeren der sieben bewohnbaren Planeten existiert eine intelligente Lebensform. Diesen Planeten werden die neuen Siedler
nicht betreten.
Viele kleinere Raumschiffe verlassen die Stelavis 23, welche sich mittlerweile in der Umlaufbahn des inneren der bewohnbaren Planeten befindet. Unter ihnen ist auch eines mit der Aufschrift
„Terra-Ex“, mit welchem Tay und seine Freunde die Erde vor ungefähr vierhundert Jahren verlassen haben. Tay mit Christin und fast alle anderen Familien mit ihren Kindern und zum Teil schon
Kindeskindern, welche ihren Ursprung auf der Erde hatten, befinden sich auf diesem Raumschiff. Sie alle landen in einer weiten Ebene auf dem Planeten.
„Ich werde Dich vermissen.“ Zum ersten Mal sieht Sara Tränen in den Augen von Tay. „Ich Dich und euch alle anderen auch“, antwortet Sara. So wie sie jetzt vor ihnen steht, im reiferen Alter mit
ihrem violetten langen Kleid und den leuchtenden ultravioletten langen Haaren, wirkt sie wirklich wie eine Anführerin. Auch Christin und Sandra sind bei der Verabschiedung dabei. Als Sara zu Sandra
kommt und sie zum Abschied in den Arm nimmt, sackt diese Tränenüberströmt in sich zusammen. Mey kommt schnell hinzu, kniet sich neben sie, nimmt sie in die Arme und fängt selber an zu weinen. Sara
streicht beiden über die Haare. „Wir werden uns wiedersehen, ganz bestimmt.“
„Hast du Joys Texte?“, ruft Tay ihr hinterher, als sie schon auf dem Weg zu den abflugbereiten Raumschiffen ist. Sie dreht sich nochmal um. „Ja, ich habe sie. Ich werde sie in allen Kolonien
veröffentlichen. Sie zeigen eindrucksvoll, was Gewalt, Waffen und Kriege anrichten können. So etwas wie auf der Erde darf nicht wieder passieren.“
Kurze Zeit später starten die kleinen Raumschiffe und fliegen zurück zu ihrem Mutterschiff in den Himmel. Einige wenige der kleinen Schiffe bleiben zurück auf dem neuen Planeten. In der Nacht zeigt
ein Schweif am Firmament an, dass die Stelavis 23 die Umlaufbahn und das neu besiedelte Sonnensystem verlässt. Jetzt wird es Zeit die neue Zivilisation aufzubauen.
Airam wird einer der ersten Anführer des Volkes auf dem neu bewohnten Planeten. Ihm werden in der Zukunft viele weitere Verantwortliche folgen, die wie er eine friedvolle Zivilisation ohne Waffen und Gewalt leiten werden.
Sara kommt wie versprochen hin und wieder zu Besuch und kann mit ansehen, wie drei weitere Planeten besiedelt werden. Der mitgebrachte Genpool erleichtert die Wiederherstellung der Flora und Fauna der ehemaligen Erde und auch die Komplexität der Menschheit. Am Ende ihrer Zeit bleibt Sara bei ihrem älter gewordenen Stiefneffen Airam und seiner Familie. Alle anderen Menschen aus ihrer damaligen Zeit, die ihr nahe standen sind mittlerweile verstorben. Nur sie selbst ist bedingt durch ihre Abstammung älter geworden.
„Was ist passiert?“ Der kleine Junge schaut zu seiner Mutter hoch. „Ich weiß es nicht“, sagt sie. In ihrem Gesichtsausdruck sieht er, dass etwas schreckliches passiert
sein muss. „Ich muss das selber noch herausfinden“, fährt sie fort. Sein großer Bruder kommt nach Hause. „Warum kommst du jetzt schon? Ihr habt doch noch Unterricht.“ „Es sind alle nach Hause
gegangen, nachdem uns die Nachricht erreicht hat“, antwortet er seiner Mutter. Sein kleiner Bruder wird ängstlich. „Sagt mir endlich, was passiert ist?“ Er geht zu seiner Mutter und schmiegt sich in
ihre Arme.
Es sind mittlerweile mehr als 2000 Jahre vergangen, seitdem die Planeten der Doppelsonne von den ehemaligen Menschen der Erde besiedelt wurden. Aber nicht nur hier leben sie. Zusammen mit dem
Raumfahrervolk haben sie viele Kolonien in diesem Bereich der Galaxie gegründet. Die Freundschaft zu den Bevölkerungen vieler anderer bewohnter Planeten wurde erweitert. Auf vielen Planeten leben
auch Menschen die ihre Vorfahren nicht allein auf der Erde haben, sondern sich mit dem Raumfahrervolk und vielen Völkern anderer neu entdeckter Planeten ethnisch durchmischt haben. Sie alle leben
über die Milchstraße verbreitet ohne Gewalt, Waffen oder Kriege in einer großen Gemeinschaft zusammen.
Jetzt auf einmal scheint die schöne neue Welt zusammenzubrechen. Die Nachricht verbreitet sich von Planet zu Planet und auf ihnen von Stadt zu Stadt: „Sie kommen aus der Richtung, in der wir den
Andromedanebel sehen können. Lusamuntra war einer der ersten Kolonien, die von ihnen komplett zerstört wurde.“
Es wird in der großen Halle ein Gremium einberufen, in dem die führenden Wissenschaftler aller Bereiche eingeladen sind. „Ich erteile zuerst das Wort an die Abteilung der interstellaren
Kommunikation. Können Sie uns genau erklären, welche Nachrichten sie erhalten haben?“ Eine Frau mittleren Alters steht auf und berichtet: „Wir haben aus den Randbezirken unserer Milchstraße mehrere
Notrufe von befreundeten Kolonien und von zwei Sternenschiffen der Voyneys erhalten.“ Ein Raunen geht durch die Menge. „Was genau war der Inhalt der Notrufe?“, fragt der Leiter der Kommission weiter
die Wissenschaftlerin. „Eine sehr große Flotte von Raumschiffen fliegt von Sonnensystem zu Sonnensystem, vernichtet alles Lebendige und zerstört alle Zivilisationen. Die zwei Sternenschiffe, von
denen wir diese Informationen erhalten haben, konnten einige Tausende der Bevölkerung betroffener Planeten vorher evakuieren und sind auf der Flucht in unsere Richtung. Sie informierten uns weiterhin
darüber, dass sich trotz höchster Geschwindigkeit der Abstand der Fremden Flotte zu ihnen ständig verringert.“ „Was bedeutet das für uns?“, fragt der Leiter des Gremiums weiter von der Mitte der
Halle heraus in die Runde. Ein junger Mann, der ganz in der Nähe der Wissenschaftlerin sitzt, steht auf und versucht es zu erklären: „Unserer Feststellung nach, sind auf den fremden Raumschiffen
keine Lebensformen zu erkennen. Es sind Maschinen, die von Maschinen gesteuert werden. Eine künstliche Intelligenz gab ihnen den Auftrag, alles Lebendige in unserer Galaxie zu vernichten. Diese
Informationen konnten wir aus Botschaften, die wir von ihnen abfangen konnten, entschlüsseln.“
In der großen Halle entsteht ein Tumult. Ein weiterer Mann aus der Runde steht auf: „Unsere Zivilisationen sind friedfertig. Wir haben keinerlei Waffensysteme, mit denen wir uns verteidigen können.“
Viele Stimmen reden durcheinander. Der Tumult wird immer grösser. Der Leiter des Gremiums versucht die Beteiligten zu beruhigen.
Nachdem die Menge nach einer gewissen Zeit ruhiger geworden ist, versucht eine ältere grauhaarige Frau in einem zerfransten schwarzen Kleid die ganz am Rande sitzt, die Aufmerksamkeit auf sich zu
lenken. „Nachdem ich von der aktuellen Situation erfuhr, habe ich in den alten Archiven, die ich verwalte Nachforschungen angestellt.“ Sie steht auf, so dass sie jetzt alle sehen und hören können.
„Der Umstand, dass es von Maschinen gesteuerte Raumschiffe sind, hat mich nachdenklich gemacht und an eine alte Geschichte erinnert: Vor mehr als 7000 Jahren wurde ein so beschriebenes Raumschiff in
der Nähe eines Sternenschiffes gesichtet. Nur durch das frühzeitige Aufspüren des fremden Schiffes konnte damals Schlimmeres verhindert werden. Die spätere Anführerin Anaren hat zu diesem Vorfall am
Ende ihrer Zeit eine Prophezeiung hinterlassen.“ Die entstandene Ruhe im Saal verschwindet wieder. „Ja, viele von uns kennen diese alten Geschichten.“ „Das sind doch nur Märchen.“ „Was wollen sie uns
damit sagen.“ Aus allen Richtungen kommen nun die Kommentare.
Im Gremium wird noch bis tief in die Nacht debattiert. Jedoch ohne brauchbare Ergebnisse.
Seit der Entdeckung der fremden zerstörerischen Raumschiffflotte sind mittlerweile mehr als drei Jahre vergangen. Die Flotte ist nun weniger als zweieinhalb Jahre
Flugzeit von der Doppelsonne mit ihren vielen bewohnten Planeten entfernt. Hunderte andere Planeten mit ihren Zivilisationen sind schon zerstört worden. Genauso erging es mittlerweile auch fünfzehn
der großen Sternenschiffe. Einige noch existierende Sternenschiffe haben so viele Menschen und andere Völker wie sie konnten aufgenommen und flüchten in die gegensätzliche Richtung. Unter ihnen ist
auch ein Nachbau der alten Stelavis 23. Gegenüber den neuen modernen Sternenschiffen wirkt sie eher winzig und kann auch nur wie damals üblich nicht mehr als hunderttausend Bewohner aufnehmen. Dieses
Schiff fliegt in Richtung des Sonnensystems, welches als Geburtsort der in der Galaxie verstreuten Menschheit gesehen wird. Das ist jedoch nicht der Grund, warum dieses Ziel gewählt wurde. Der Anlass
ist ein neuer Stern, der in diesem Bereich der Milchstraße entdeckt wurde.
An Bord befindet sich auch Nora, die ältere grauhaarige Frau, die vor drei Jahren in dem Gremium über die Prophezeiung debattiert hatte. Sie trägt wieder ihr zerfranstes schwarzes Kleid.
Aus der alten Stelavis 23 wurde das originale Denkmal von Anaren mitsamt dem Sockel in die nachgebaute Halle im oberen Teil des Sternenschiffes aufgestellt. Die Inschrift auf dem Sockel wurde
restauriert und ist gut lesbar: „Ein Stern wird leuchten, der kein Stern ist. Und eine vergessene Zivilisation wird die Galaxie von dem Bösen befreien.“
Nora konnte einige Wissenschaftler davon überzeugen, dass der neu gesichtete Stern erforscht werden sollte. „Entweder stimmt die Prophezeiung oder sie stimmt nicht. Ich selber glaube nicht an
Zufälle. Was haben wir denn zu verlieren?“, meint sie zu ihnen. „Wir haben ihn entdeckt, als die fremde Flotte in unserer Milchstraßengalaxie aufgetaucht ist. Damals war er kaum zu erkennen.
Mittlerweile leuchtet er so hell, dass die alte Sonne der Erde dahinter verblasst.“ Nun sind sie unterwegs zu dem neuen Stern.
Nach einigen Monaten Flugzeit kommen Sie so nah an den immer heller leuchtenden Stern, dass ihre Fernaufklärung ein genaueres Bild von ihm erzeugen kann. „Wie, es ist
kein Stern?“, fragt Nora den Wissenschaftler, der in ihr Quartier gestürmt ist. Er ist sichtlich außer Puste. „Kommen Sie schnell in die große Halle, wir wollen dort die ersten hochauflösenden
Aufnahmen präsentieren.“
Der Chef der Fernaufklärung beginnt den Vortrag: „Wie sie hier sehen können, ist der sogenannte Stern in Wirklichkeit kein Stern.“ Alle schauen auf die große Projektion an der Wand in der deutlich zu
erkennen ist, dass es sich nicht um ein einzelnes großes Licht, sondern um viele kleine Lichter handelt. Nora schaut indessen auf die Statue, die in dieser Halle steht: „Ich habe es gewusst.“
Es vergeht nun kein Tag an dem neue Erkenntnisse an Nora, die inoffiziell die Mission leitet, herangetragen werden. „Nora“, sagt der Chef der Fernaufklärung zu ihr, „Sie hatten tatsächlich Recht.“ Er
ist in ihrem Quartier und will es mit ihr besprechen, bevor die gesamte Mannschaft es erfahren soll: „Es ist eine Armada von Raumschiffen die von der alten Erde kommt. Wir hatten vorhin den ersten
Funkkontakt mit Ihnen: „Anscheinend ist bei der damaligen Zerstörung der Erde nicht alles vernichtet worden. Auf dem ehemaligen Kontinent Australien haben viele Menschen und auch ein Teil der Flora
und Fauna überleben können. Sie haben über die Jahrhunderte hinweg mehrere große Städte, die sich selber versorgen konnten unter die Erde gebaut. Nachdem sich der Fortschritt bei Ihnen
weiterentwickelt hat, konnten sie auch Kolonien auf dem Mond, dem Mars und zwei Jupitermonden aufbauen. Sie haben uns immer beobachten können, wurden von uns aber nicht entdeckt, da wir in diesem
Sonnensystem kein Leben mehr vermutet hatten. Wie es anscheinend für die Menschen der Erde üblich ist, haben sie auch angefangen große Kriegsschiffe zu entwickeln und zu bauen. Sie haben die Flotte
der Maschinenschiffe schon entdeckt, bevor diese unsere Milchstraße erreicht hat. Jetzt sind sie auf dem Weg zu uns, um uns zu helfen.“
Der folgende ausgedehnte Krieg, der sich in der gesamten Galaxie verteilt, dauert mehrere Jahrzehnte. Die Kriegsflotte der Menschen schlägt die fremden Maschinenwesen mit gewaltiger Wucht aus dem uns
bekannten Universum. Den außergewöhnlich mächtigen Waffen der Menschen können die Fremden nichts entgegenbringen. Ein General findet am Ende der Schlachten folgende Worte: „In unserer Galaxie sind
alle Willkommen, solange sie friedliche Absichten haben.“
Die kleine Sonde verlässt die Milchstraße, um in der nächsten Galaxie ihre Aufzeichnungen weiterzuführen.
Finsternis. „… piep, … piep, … piep.“ Dann wird der Raum langsam in ein warmes orangenes Licht getaucht. Der obere Teil des Projektionskubus ist gerade noch zu sehen,
als er in der Mitte des gemütlich eingerichteten Wohnbereichs im Boden versinkt.
„Ich denke, dass ich eines der direkten Nachkommen von Tay und Christin bin“, grinst Tarsipe zu Nadanel rüber, das direkt daneben sitzt. „Ja“, erwidert Nadanel, „und ich stamme ja wahrscheinlich von
Sara ab.“ Es streift mit der Hand durch seine Haare. „Woher sonst sollte mein Haar so ultraviolett sein.“
Tarsipe überprüft die Datenbank nach weiteren Projektionen. „Die Aufzeichnungen von der Erde und die damit zusammenhängenden Geschichten finde ich immer noch am interessantesten“, ruft Tarsipe nach
einer Weile. „Es ist fantastisch, dass diese Sonden so viel von der Geschichte des Universums aufgezeichnet haben“, klingt es von Nadanel aus dem Nebenraum, aus dem es neue Getränke und ein wenig
ungesunde aber besonders leckere Nahrung holt. „Leider wissen wir nicht, wer diese Sonden gebaut und auf die Reise geschickt hat.“
Nadanel und Tarsipe sind die zwei letzten Lebewesen in dem gesamten Universum. Nach vielen Milliarden Jahren sind alle Sterne verloschen. Also eigentlich nur fast alle. Diese eine Sonne leuchtet noch
schwach. Auf dem Planeten, der relativ nah um sie herum kreist, haben sich die zwei die Innenräume eines Gebäudes nach ihren Vorstellungen behaglich eingerichtet. Das Gebäude selbst stammt aus einer
Zeit, als der Planet noch bewohnt war.
„Wie wäre es mit der Aufzeichnung der Rettung der Milchstraße“, schreit Tarsipe in Richtung des Nachbarraumes. Es hat nicht gemerkt, dass Nadanel schon wieder zurückgekommen war und aus Schreck fast
die zwei Getränke verschüttet hätte. „Nein“, entgegnet Nadanel, „wir sollten die Reihenfolge der Geschichte nicht durcheinanderbringen. Das müsste doch auch so in der Datenbank registriert sein.“
„Ach ja, nach den Chroniken der Erde kommt die Besiedelung der neuen Planeten“, klärt Tarsipe auf, als es die Datenbank nochmal genauer kontrolliert. „Mache es Dir bequem, bevor ich die neue
Projektion starte.“
„… piep, … piep, … piep“, die Finsternis verdrängt langsam das warme orangene Licht. Dann fängt der Projektionskubus an zu leuchten, welcher wieder aus dem Boden in der Mitte des Raumes auftaucht.
Tarsipe und Nadanel schauen aber nicht einfach so von außen zu. Sie erleben die Aufzeichnungen, als wären sie selbst dabei. Sie sehen, hören, riechen und fühlen sogar die Umgebung der Handlungen.
Jetzt im Moment ist es so, als stehen sie in der Menge der Menschen und Voyneys in dem Raumschiff in dem Sara ihre erste große Rede hält: „Wir werden auf sechs der sieben bewohnbaren Planeten der
Doppelsonne, zu der wir gerade reisen, siedeln. Der siebte Planet ist von einer einfachen, aber intelligenten Lebensform bevölkert. Dieser Planet ist für uns alle tabu.“ Als alle im einheitlichen
Takt auf den Boden stampfen, um ihrer Zustimmung zu der Rede Ausdruck zu verleihen, fangen Nadanels Augen an zu glänzen und eine Träne läuft über die Wange. Nadanel sieht, dass Sara es bemerkt.
Die zwei werden auf ein Pochen aufmerksam, das nicht zu den Vorgängen in der Projektion passt. Tarsipe unterbrich die Aufzeichnung: „Was ist das?“ Nadanel läuft los, um den Ursprung des Geräusches zu
finden und Tarsipe hastet hinterher. Als sie in den vorderen Teil des Gebäudes gelangen, schauen sie sich fassungslos an. Tarsipe spricht zuerst: „Es klopft, es klopft an der Tür.“ „Was soll an der
Tür klopfen? Außer uns existiert kein anderes Lebewesen.“ „Schau nach, was es ist.“ „Nein, wenn dann gehen wir beide.“ Das Pochen hört nicht auf. Nadanel und Tarsipe gehen vorsichtig zur Tür und
öffnen sie.
Hier ist eine kleine Auswahl der Liedertexte, die Joy in seiner Zeitepoche schrieb und die noch Jahrhunderte später in den Kolonien bekannt waren:
Spring, kleine Maria, spring und lauf über Wiesen und Felder. Lass die Sonne und den Wind mit deinen goldenen Haaren spielen. Lauf und genieße den Boden unter deinen nackten Füßen. Dein Kleid soll wehen und dein Lachen soll schallen über die Weite des Landes. Und sie läuft und genießt die Ausgelassenheit ihrer Kindheit.
Da sieht sie ein Gänseblümchen, hält inne und kniet sich nieder. So schön und zierlich. Der gelbe Plüsch und die weißen Blütenblättchen. Sie pflückt es, um es der Mutter zu zeigen. Sie an ihrer Freude teilhaben zu lassen.
Doch Männer, die herbeikamen, erschossen sie. Da lag sie, in der rechten Hand die Blume, Die Haare über das Gesicht verteilt. Das Blut färbt die Erde rot. Sie hat es nicht gewusst, hat den Zaun nicht bemerkt, das Schild nicht gelesen. Sie hätte es nicht einmal lesen können: "Bellis Perennis - The last daisy". Es war die letzte Blume, die es gab. Die letzte, die die Generationen der Zivilisation überlebt hat. Und diese wurde gepflegt und beschützt.
Es ging dem Abend zu. Er rückte seine Krawatte zurecht, sie trug dezent ihr Parfum auf und draußen hörte man die Sirenen heulen. Der letzte Kajalstrich war gezogen und
die Lackschuhe noch mal poliert. Das Taxi wartete schon. Sie stiegen ein und fuhren los. Überall sah man Flammen aus den Häusern lodern und Rauch aufsteigen. In der Fer-ne schlugen Granaten ein und
das Abwehrfeuer erhellte den Himmel.
Die Stimmung war schon auf dem Höhepunkt, als sie ankamen. Ihnen wurde die Autotür geöffnet. Sie betraten die große Eingangshalle und zeigten ihre Einladung. Denn zu dieser Feier wurden nur geladene
Gäste zugelassen.
Was hier gefeiert wurde? - Das Ende der Zivilisation!
Jeder wusste, dass bei Sonnenaufgang, wenn kein Waf-fenstillstand bei diesem sich weltweit ausgebreitetem Krieg zustande kommt, die auf jeder Seite stationierten Atomwaffen zum Einsatz kommen. Und es
sah nicht so aus, als würden die Politiker zur Vernunft kommen.
So feierte man diese Nacht durch, bis in den Morgen, bis in den Tag, solange er existieren würde. überall sah man fröhliche Gesichter, bei denen die eine oder andere Träne die Wange herunterlief.
Viele Pärchen zogen sich zurück, um die letzten Stunden noch einmal ganz alleine für sich zu haben.
Ich gehe durch die leeren Straßen von New York.
Chemische Waffen haben sie gelehrt.
Ein junger Mann sitzt an der Ecke und spielt Gitarre.
Das Mädchen, das weinend auf der Treppe
neben ihrem toten Bruder sitzt,
legt sich hin und schläft.
Der Wind heult, und die Sonne geht unter.
Der Mann mit der Gitarre stirbt.
Und ich gehe weiter durch die leeren Straßen
von New York.
Die Sonne geht auf.
Blumen blühen auf der Wiese.
Vögel zwitschern im Wald.
Tiere springen übers Feld.
Autos fahren auf den Straßen.
Züge rasen über die Schienen.
Menschen spazieren in der Stadt
und laufen durch die Geschäfte.
In der Ferne hört man ein Flugzeug.
Keiner weiß, dass der Tod kommt.
Eine B52 mit mehreren H-Bomben.
Sie bringen den Anfang vom Ende.
Sie sehen den Atompilz nicht,
weil er zu hell ist.
Sie hören die einstürzenden Häuser nicht,
weil es zu laut ist.
Sie spüren den Sturm nicht,
weil er zu heiß ist.
Sie merken noch nicht einmal,
dass sie selbst auseinandergerissen werden.
Es ist ein ganz normaler Tag.
Doch für die Erde
ist es der letzte.
Und keiner weiß warum.
Die Menschen spazieren nicht mehr durch die Stadt
und laufen nicht mehr durch die Geschäfte.
Die Züge rasen nicht mehr über die Schienen.
Die Autos fahren nicht mehr auf den Straßen.
Die Tiere springen nicht mehr übers Feld.
Die Vögel zwitschern nicht mehr im Wald.
Die Blumen blühen nicht mehr auf der Wiese.
Und die Sonne geht unter.
Medavena
Mutter von Niss
Tochter von Nerana
Freundin von Raan
Freund von Niss
Stelavis 23
Raumfahrervolk
Sohn von Niss und Raan
Bruder von Anaren
Tochter von Niss und Raan
Schwester von Gerin
Freundin von Jen
Mutter von Sara
Freund von Maria
Vater von Sara
Tochter von Maria und Jen
Stiefschwester von Tay
Erde
Vater von Tay
Stiefvater von Sara
Mutter von Tay
Stiefmutter von Sara
Sohn von Sascha und Iris
Stiefbruder von Sara
Freund von Christin
Freundin von Tay
Schwester von Sandra
Schwester von Christin
Aufbruch
Freund von Kendra
großer Bruder von Danka
Freundin von Joy
kleine Schwester von Joy
befreundet mit Ramon und Maron
Zwillingsbruder von Ramon
Zwillingsbruder von Maron
befreundet mit Tamara und Mey
befreundet mit Arto und Mey
befreundet mit Arto und Tamara
befreundet mit Jerina und Scarlett
befreundet mit Claressa und Scarlett
Schwester von Kim
Bruder von Jerina
befreundet mit Claressa und Jerina
befreundet mit Tyra und Delilah
befreundet mit Hugo und Delilah
befreundet mit Hugo und Tyra
neue Zivilisationen
Sohn von Tay und Christin
Stiefneffe von Sara
Verwalterin der alten Archive
Endzeit
eines der zwei letzten Lebewesen im Universum
eines der zwei letzten Lebewesen im Universum
Nerana | |||||||||
↓ | |||||||||
Niss | ↘↙ | Raan | |||||||
Anaren | + | Gerin | |||||||
↓ | |||||||||
↓ | |||||||||
Jen | ↘↙ | Maria | Sascha | ↘↙ | Iris | ||||
Sara | Tay | ↘↙ | Chrsitin | + | Sandra | ||||
↓ | Airam | ||||||||
↓ | ↓ | ||||||||
↓ | ↓ | ||||||||
Nadanel | Tarsipe |